laut.de-Kritik

Die verlorenen Söhne von Supermax und Captain Future.

Review von

"YIN YIN In Space", so lautete der Arbeitstitel für dieses Album einmal. Er hätte bestens gepasst: Obwohl aus tausendundeinem irgendwie vertraut anmutenden Versatzstücken zusammengepuzzlet, wirkt das Ergebnis, geradezu unerhört, wie nicht von dieser Welt.

"Thaichedelia" nennen die Niederländer, was sie da in ihrem verschlafenen Maastricht aus 70er-Jahre-Funk, Electro-Boogie, Italo-Disco und allerlei fernöstlichen und orientalischen Klängen zusammenschustern. Wirkt ... weird? Dann trifft es den Kern der Sache: "The Age Of Aquarius" klingt, als hätten 'Lovemachine' Supermax und Captain Future ein Kind gezeugt und bei der Budos Band in Tagespflege gegeben, ehe sie gemeinsam in unendliche Weiten abgeschwirrt sind.

Acht Tracks birgt dieses Album zwar nur, dafür platzt jeder einzelne nahezu vor Dynamik und tanzbarem Groove, statt mit einem Spannungsbogen bekommen wir es mit gleich mehreren sich überlagernden Wellenlinien zu tun. Um mitzubekommen, was hier überhaupt passiert, muss man aufpassen wie ein Luchs. Sobald man sich auf ein Detail konzentriert, hat man schon drei andere verpasst.

Gerade einmal zwei Minuten währt der Opener "Satya Yuga", ein sich unentwegt wandelndes, morphendes, fesselndes Ding. Darin bringen YIN YIN eine klagende Melodie, Rufe und Stimmengewirr, Streicherklänge, elektronisches Gefiepe und flackernde Synthies unter, ehe sich die aufgestaute Energie in einem hallenden Donnerschlag entlädt. Uff! Was, bitte, war das denn?

Egal, keine Zeit, um groß drüber nachzudenken: Der dunkle, von Claps getriebene Funk-Groove von "Chong Wang" hats längst mit- und weitergerissen, die Melodieeinsprengsel hier machten in jedem Spaghettiwestern eine hervorragende Figur. Unmöglich zu entscheiden, ob das nun komplett retro oder irgendwie futuristisch klingt: Der satte Sound pumpt, groovt und wirkt brandaktuell, das Ding könnte vom Vibe her allerdings genauso gut aus den 1970ern stammen.

Diese Indifferenz, das Sich-zeitlich-wie-stilistisch-nicht-festnageln-Lassen, ist neben der durchgehenden Tanzbarkeit so ziemlich das einzige Element, das sich konsequent durchzieht. Oh, okay, und der Verzicht auf Vocals: Hier und da flicken YIN YIN zwar ein paar Vocoder-verfremdete Zeilen oder ein Sprachsample ein, das wars aber auch schon. In "Faiyadansu" etwa lehrt eine schnarrende Frauenstimme, wie ich mir später anlese, einem YouTube-Sprach-Tutorial für Thailändisch entnommen, Konversation im Zusammenhang mit Essen. Auch das passt wunderbar in den Mix aus asiatisch getöntem Saitenspiel, Percussion, sich durchschlängelnden orientalischen Melodien. Die Fülle an Klängen, Texturen und Aromen gibt das Gefühl, im bunten Gewusel eines Basars zu stehen, ohne auch nur die leiseste Idee zu haben, wie zum Teufel man hier hergekommen ist.

"Shenzou V." hat reduziertere, fast schon industriell-technoide Momente. Auch "Nautilus" setzt stark auf die elektronischen, synthetischen Elemente und erinnert abwechselnd an Nummern von Midnight Star, der Jonzun Crew oder gleich an das "Disco Inferno" der Trammps. Das dagegen weit üppiger angelegte Titelstück lässt passagenweise den Eindruck keimen, jemand habe einem Discobeat eine Nummer von Pink Floyd aufgepfropft. Weird? Ich sags ja, und, ja: Dafür darf man sich am Ende eines Tracks getrost einmal selbst applaudieren.

Gut, dass YIN YIN zum Schluss nach all der Konfusion doch noch einen Gang zurückschalten, die Sohlen der Tanzschühchen dürften langsam auch gut durchgeglüht sein. Wie ein Drohnenflug über die Wipfel eines Regenwalds fühlt sich das getragene "Kali Yuga" an. Wenn da noch irgendwo zwischen den Bäumen Tao-Tao säße, dem seine Panda-Mama gerade ein Märchen erzählt, würde mich das jetzt auch nicht mehr groß wundern.

Trackliste

  1. 1. Satya Yuga
  2. 2. Chong Wang
  3. 3. Shenzou V.
  4. 4. Faiyadansu
  5. 5. Declined By Universe
  6. 6. Nautilus
  7. 7. The Age Of Aquarius
  8. 8. Kali Yuga

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1 Kommentar

  • Vor einem Jahr

    Eine meiner Entdeckungen des Wochenendes. Im besten Sinne frickelig, eigenwillig, aber trotzdem mMn sehr harmonisch (wenn’s soundmäßig ein Kritikpunkt sein muss: Für meinen Geschmack vll. sogar eine Spur zu gleichförmig über die Track-Grenzen) und auf jeden Fall außerordentlich tanzbar.

    Für esoterische Elemente in Stil und Auftritt braucht’s eine gewisse Toleranz und inwieweit beides unter kultureller Aneignung läuft, ist sicher auch diskutabel, ansonsten klare Empfehlung und für mich auch Anwärter für die Jahres-Bestenliste.