laut.de-Kritik
Herr Rockstar, wischen Sie sich bitte die Tränen ab!
Review von Olaf SchmidtYou Me At Six produzieren auf ihrem mittlerweile vierten Album "Cavalier Youth" wieder diese Art von Musik, die niemandem weh tut. Gefälliger College-Rock mit großer Pop-Liebäugelung und Texten für verliebte Teenager, so lautet die Devise. Dass man sich damit beachtliche Zuschauermengen erspielen kann, zeigen die vergangenen Jahre der Band.
"Too Young To Feel This Old" beginnt mit der mittlerweile obligatorischen Sologitarren-Melodie, die sich Coldplay von U2 geklaut haben und mit der man heute unter Garantie ins Radio kommt. Und da wollen die fünf jungen Männer aus Surrey auch hin.
Schnell noch ein paar weitere Zutaten zusammensuchen, dann sollte es klappen. In "Lived A Lie" bedienen sie sich bei den typischen Biffy-Clyro-Chören, und im Folgenden bei allem, was nicht niet- und nagelfest ist.
Warum fällt mir zu dieser Platte ständig das Wort "Reißbrett" ein? Es drängt sich in Sachen Sonwriting förmlich auf. Ständig fühlt man sich an irgendeine andere Band erinnert, ohne wirklich den Finger drauf legen zu können.
Die Texte hingegen lassen aufhorchen: Eine Ode an den schlechten Geschmack sind sie, ein vollendeter Beweis dafür, dass geballte Plattitüden Songs vollständig zerstören können. "You win some and you lose some, I've been losing for a while now", lamentiert Sänger Josh Franceschi in "Win Some, Lose Some". Ach Gottchen, wie furchtbar! Hier, Herr Rockstar, nehmen Sie ein Kleenex und wischen sich die Tränen aus den Augenwinkeln!
Derartiges Gejammer sondert Franceschi in so ziemlich jedem Song ab. Mit weinerlicher Stimme liefert er den Stoff für die emotionalen Achterbahnfahrten weiblicher Teenager. "Oh, heart of mine, sing a sad song" ("Fresh Start Fever"), "I hope for the best, I prepare for the worst" ("Hope For The Best"), "I feel so lost in my own skin" ("Wild Ones") - beliebige Beispiele für die ganze geballte Kraft seiner Lyrik.
Aber es gibt auch Positives anzumerken: Anno 2014 verzichten You Me At Six auf schreiende Unterstützung von Metalcore-Sängern. Es würde auch nicht zu den Liedchen passen, von denen keins aus der Masse herausragt. Die Produktion setzt auf viel Raumklang und hat Druck - aber wo die Songs fehlen, kann sie auch keine Wunder vollbringen.
Nichts an "Cavalier Youth" ist schmerzhaft schlecht, aber die Platte nervt trotzdem mit ihrer Glattheit. You Me At Six produzieren weiterhin Rockmusik für Leute, die sich eigentlich gar nichts aus Rockmusik machen.
1 Kommentar
Hab' die auch bloß zur Kenntnis genommen, weil die im UK die Chartspitze ergattert hatten. Da hab' ich dann mal neugierig reingeschnuppert - und war ziemlich abgetörnt.
Scheinen ein Relikt dieser 2000er Emo-Welle zu sein, das nun nicht so recht weiß, wohin mit sich.
Aus der Ferne würde ich die zwei Sterne mal unterstützen.