laut.de-Kritik
Retro-R'n'B und Dark Pop als reiche Opfergaben.
Review von Kim LangeEin Altar ist laut Wikipedia "eine Verehrungsstätte für Gottheiten. Auf Altären können Opfergaben dargebracht werden. Doch auch die Errichtung des Altars an sich und seine unter Umständen reiche Verzierung sind bereits ein Akt der Verehrung." Das wusste man wohl bereits. Wieso Banks ihr zweites Album nach eben dieser Stätte der Verehrung benannt hat, macht mit diesem Wissen umso mehr Sinn.
Jilian Rose Banks, besser bekannt unter ihrem Nachnamen, lieferte mit dem Debüt "Goddess" 2014 eine der größten Album-Überraschungen des Jahres ab. Neben Kritik an ihren etwas dünnen Live-Auftritten und den übermäßig eingesetzten Backing-Vocals erntete sie damals vor allem Lob für ihre fulminante Fusion aus Pop und R'n'B und ihr offenherziges Songwriting.
"Meine Musik ist für mich die heiligste Sache im Leben", erzählte sie gerade dem Guardian, "das ist meine Wahrheit, mein Altar." Ein Altar, den sie – wie es sich gehört – nicht nur reichhaltig verziert: Selten hat man eine solch distinktive Art von Pop gehört, die aber gleichzeitig im R'n'B der 90er stattfindet ("Weaker Girl"), kleine Ausflüge in den Soul wagt ("Judas") und schließlich doch sehr balladesk endet. Banks hat mit "The Altar" ihre eigene musikalische Sozialisation von einst in eine moderne Form gebracht.
Die Opfergaben auf "The Altar" lassen sich gleich an den ersten drei Tracks auf dem Album ablesen: "Gemini Feed", "Fuck With Myself" oder "Lovesick" belegen, dass die letzten Jahre keine leichte Zeit für die Sängerin waren. Von der Abrechnung mit dem Ex-Freund über die schwierige Liebe zu sich selbst bis zur Suche nach Liebe und Anerkennung hat die 28-Jährige alles durchgemacht. "Wenn ich in den letzten vier Jahren etwas gelernt habe", so die Sängerin, "dann, dass ich selbst mein größter Feind bin. Dabei sollte man eigentlich sich selbst am nächsten stehen und sein engster Freund sein."
Was vor allem fremd war für Banks: Der Umgang mit ihrer neuen Autorität als Sängerin. Als Frau zu lernen, der Boss zu sein und Entscheidungen zu treffen, die nicht immer zur Zufriedenheit aller Beteiligten sind. "Ich musste lernen, unverfroren und emotionslos gegenüber etwas sehr Emotionalem zu sein, nämlich meiner Musik." Dafür klingt sie insgesamt doch sehr bestimmt und vor allem sehr viel selbstbewusster als auf dem Debüt.
"Trainwreck" beispielsweise bringt neben einer bossy Gesangsweise leichte Rihanna-Referenzen sowie einen Hauch Trap mit. Auch "This Is Not About Us" klingt bestimmter und stimmungsvoller. Letztlich schließt Banks ihr Werk dann aber doch sehr ruhig und pianolastig ab, erst verletzlich und zart ("To The Gilt"), bis sie schließlich den großen Ausbruch wagt ("27 Hours"), wobei sich ihre Stimme leider erneut einem Werkzeug für Verzerrungen unterziehen musste.
Letztlich ist Banks' zweiter Longplayer kantiger geraten als der Vorgänger. Die Songfarbe wechselt von soulig-sanft zu bestimmt-kraftvoll. Während manche Tracks chorale Unterstützung erfahren oder (leider) auch mal stimmliche Verzerrung, dominieren anderswo Synthies, schwere Beats oder hypnotisierende Melodien.
Es scheint, als habe sich Banks frei gemacht von all dem Ballast und wäre ein Stück auf sich selbst zugegangen. Sie ist ist noch immer tiefgründig, verletzlich und zeigt ihre dunkle Seite, aber packt ihr Leid nun in Songs mit mehr Power und Abwechslung. Auch wenn das, was Banks hier predigt, gegen Ende hin etwas schwächelt, lohnt es sich, ihr Gehör zu schenken.
12 Kommentare mit 33 Antworten
Alter das Album ist krass. Los schreibt endlich die Review!
Du bist auch leicht zu begeistern, was?
Vielleicht hast du auch nur Tomaten auf den Ohren? Troll nicht rum.
Schon nicht übel, die Dame. Sowohl optisch als auch musikalisch.
Ich fordere, dass dieser sexistische Kommentar unverzüglich entfernt wird. Die Optik dieser jungen Dame spielt keine Rolle. Es geht hier um ihre Musik!
und der name klingt ebenso toll wie beides, toni. "jilian rose" ist ja echt ein geschenk; nicht nur unter showbizgesichtspunkten.
wenn es nach mir ginge, müsste der trap-kokolorees natürlich komplett über bord geworfen werden und noch mehr dark soul ins boot.
"Ulf" ist doch auch eine phonetische Glamour-Bombe.
höchstens eine lykanthrope...
Jilian Rose ist wirklich ein toller Name. Mein Favorit der letzten Jahre ist aber immer noch der schwedische Vorname "Leandoer" (zweiter Vorname von Yung Lean) für jemanden, der psychodelische (Rap-)Musik über den Konsum von Lean macht.
"Jilian Rose" klingt schon fast so schön wie "Chelsea Wolfe". Ich muss zugeben. Für ihr gutes Aussehen kann die Dame nichts. Da hat schon die Natur einiges in die Wiege gelegt. Aber die Musik ist ja ebenfalls gut und mehr Dunkelheit wäre noch ein bisschen mehr Ausschmückung des selbst errichteten Altars.
Ist mir auch ein wenig zu fröhlich bisher, erster Eindruck dennoch solide.
Hört jetzt auf, über ihr Äußeres zu sprechen. Sie ist eine Musikerin und geht nicht auf die Bühne, um von euren schmierigen Blicken ausgezogen zu werden.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Ihre musikalischen Fähigkeiten respektiere ich voll und ganz. Habe ich schon oben geschrieben. Aber die visuellen Reize sind bei ihr ein Teil des Gesamtpaketes, muss man zugeben. Sonst würde sie keine Videos zu ihren Songs drehen.
Und die Mette geht steil in 5... 4... 3...
Als ob die sonderlich heiß wäre. Solide 7.
7 liegt im positiven Bereich, erst ab -1 wird gezögert!
(nachzulesen in: "Richtlinien des Positiven Sexismus", Timo von Laut zu Bar et al., hrsg. 2015)
An eine Monica Bellucci reicht sie nicht ran, aber das ist auch fast unmöglich.
Beim Thema Sexismus seh ich da in den Äußerungen diverser laut-Persona einfach zu wenig Distanz zu tatsächlich täglich stattfindenden sexistischen Unterdrückungsmechanismen unserer Gesellschaft, die hier mit solcher Außendarstellung eher gestützt und bekräftigt als durch ironische Überzeichnung gebrochen oder aufgelöst werden.
*Hicks*
Und jetzt will ich Tantiemen sehen, du abgewrackter Scheißhaufen von einem Fake!
Wann verkündet Lauti die Wahrheit?
Nach dem Mittagsschlaf
#DerGreisruhtmit1offenenAuge
Also sollten wir Musik als technisches, emotions- und geschlechtloses Handwerk betrachten, dessen visuelle Ebene vom Eigentlichen, der Musik, ablenkt, weil sie dem "positiven Sexismus" (Timo von Laut zu Bar et al., hrsg. 2015) noch fördert. Da erweisen sich Konzerte zum animalischen, lüsternen Gaffen und sollten somit nicht besucht werden.
das hast du schön gesagt
Konzerte sind nur dann zu besuchen, wenn man sie als wertneutrale Darbietung instrumentaler und gesanglicher, technischer Fähigkeiten betrachtet. Als Ergänzung.
Hast du eigentlich vor, deinen Kopf irgendwann mal wieder aus deinem Arsch herauszuziehen? Frage nur aus Interesse.
Ich habe mich eher auf den Oberen Rechtsgelehrten bezogen. Über Musik an sich lässt sich ohnehin genüsslich streiten.
Zeig mir einen einzigen Kommentar über einen männlichen Musiker, in dem du sein Äußeres lobst. Sieht Justin Bieber mit seinem blondierten Undercut nicht gut aus? Oder hast du in deiner Rezension zum letzten Album von Usher seinen Körperbau gelobt? Wieso werden Frauen hier mit anderen Maßstäben gemessen, beziehungsweise scheint es dir notwendig, ihre Optik hervorzuheben?
Ich verbleibe hochachtungsvoll,
Ihr mittlerer Rechtsgelehrter
Ushers zugegebenermaßen beachtlicher Körperbau spielt für die Musik an sich weniger eine Rolle. Eher für die visuelle Komponente. Wenn ein Mann stilvoll gekleidet ist oder gut aussieht, hebe ich das aber gerne hervor. Bei Leonard Cohen und Nick Cave ist das ja durchaus der Fall.
Bitte keine rechtsgelehrten Adjektive vertauschen; wie ersichtlich sein sollte, kann das an üble Nachrede grenzen.
Im Doppelpack. Ich kümmere mich mal um das Relevante: Die Musik. Bevor mir noch die Augen rausspringen.
"Wenn ein Mann stilvoll gekleidet ist oder gut aussieht, hebe ich das aber gerne hervor. Bei Leonard Cohen und Nick Cave ist das ja durchaus der Fall."
oder jim morrison als einer der urväter, bei dem sich sexyness, gesang und dichtkunst zum gesamtkunstwerk verbanden. jagger wäre ohne seine körperlichkeit auch nicht denkbar gewesen oder die orgasmisch kreischenden teenies vor den beatles oder whos daltrey.
die liste ist schon recht lang, wenn man sie einmal aufmacht und absolut nicht geschlechtsspezifisch, sondern schlichtweg "sex n drugs n rocknroll".
Nice nice nice.
Was zum Henker ist jetzt so toll an "Gemini Feed" und an diesem ganzen Album? Wenn es irgendwo im Format Radio laufen würde müsste ich nicht unbedingt wegschalten aber wie bei vielen anderen: In ein Ohr rein, aus dem anderen wieder raus, und nach zwei Sekunden wieder vergessen.
Nach zweitägigem Anhören kann ich sagen: zumindest die neueren, düstereren Sachen gefallen mir sehr gut!
Endlich mal durchgehört. Von sehr geil (27 Hours, Judas, Gemini Feed) bis gut geht so einiges. Konnte keine großen Hänger ausmachen. Mind. Top 3 "Pop" Album 2016 bisher.