laut.de-Kritik
Vielleicht ist es das Alter, das die Berliner vom Hardcore abbringt.
Review von Philipp SchiedelMeine erste Begegnung mit den Berlinern war 1998 im Vorprogramm von Thumb. Dort haben sie von der Bühne geschrieen, und ich und die restlichen fünfzig Leute im Publikum verstanden kein Wort. Bei zwei, drei Songs stellte sich der zweite Gitarrist in einem engen Unterhemd auf die Monitorboxen und kreischte so angestrengt ins Mikro, dass ihm die Augäpfel immer mehr heraus quollen. Das war für einen behüteten Gymnasiasten vom Land doch etwas befremdlich: "Das muss wohl Hardcore sein", dachte ich ängstlich.
Mittlerweile sind die Beatsteaks bei Album Nummer drei angekommen und haben einen Deal mit Brett Gurrewitz. Von den Wurzeln ist nicht mehr viel übrig geblieben, es klingt eher so, als hätte man in der Hauptstadt in letzter Zeit mehr Foo Fighters gehört als Agnostic Front. Auf "Living Targets" gilt: Core raus, Rock rein. Leider rutschen die Beatsteaks damit noch mehr in die Belanglosigkeit ab, als das schon bei den Vorgängeralben der Fall war. Aber dieses Problem kennt man ja von Epitaph-Signings zu Genüge.
Vielleicht ist es das Alter, das vom Hardcore abbringt. Lieber mal langsamer angehen lassen und ein bisschen poppig auf Verzerrersound rumrocken. Sechs Stücke wurde sogar mit dem alten Rocker Billy Gould (Ex-Basser von Faith No More) aufgenommen. Natürlich live und so wenig Takes wie möglich. Leider hören sich die Songs auch genau danach an: Live, rauh, langweilig.
Da kann das stimmliche Organ von Sänger Armin noch so sehr überzeugen. Mitsamt der drückenden Gitarrensounds klingt das so stark nach schon mal da gewesen, dass definitiv nicht interessiert, ob der Typ wunderbar schreien und noch schöner auf Heulsuse machen kann (was man ihm ja eigentlich zu Gute halten sollte). Am meisten nervt, dass er auf 70% der Songs klingt, als würde er durch ein Megaphon von der Baustelle singen. Und das ging ja schon bei "Time To Move" von den H-Blockx jedem normalen Menschen auf den Sack.
Das Album plätschert meist so lustlos dahin, dass man nach vier Songs nicht mehr sicher ist, ob die Platte noch läuft oder nicht. Die Beatsteaks finden keinen Mittelweg zwischen Pop, Hardcore und Rock und schrammen so auf 39 Minuten kontinuierlich an der Aufmerksamkeits-Grenze vorbei. Aber immer verdammt knapp, wohlgemerkt, denn immerhin: rocken tun sie allemal. Nur sind die Beatsteaks eben nicht die Einzigen, die das so können ...
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