laut.de-Kritik

Wie ein dunkler Alptraum, gemastert von Console.

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Man kann an Camera ganz gut beobachten, wie sehr eine Band aus ihren Mitgliedern besteht. Die Berliner, seit jeher als Guerilla-Krautrock bewundert, pflegen eine hochgradig fluide Personalpolitik. Nur Drummer Michael Drummer ist seit den Anfängen dabei, um ihn herum kommen und gehen die Leute. Seit dem gitarrenlastigen "Emotional Detox" sind zwei Keyboarder ausgestiegen, die maßgeblich für den Sound des Albums verantwortlich waren. Neu dabei sind Alex Kozmidi und Tim Schroeder, die für einen neuen Fokus auf Rhythmen sorgen.

Schon den Opener "Kartoffelstampf" prägen Ungeduld und Hast. Die Gitarre erfüllt einen rein sägend-unterbrechenden Zweck. Sie oszilliert in Verfremdung, dient mehr als hochfrequentes Warnsignal als als Instrument. Dazu trommelt Drummer, als sitze ihm der Leibhaftige im Nacken. Ruhe findet sich hier zu keiner Sekunde. Die Repetition in der Bassline dient nur dazu, all das Chaos noch weiter in Gehirnwindungen zu pressen.

An solchen Bassläufen zeigt sich die Nähe Cameras zum Post Punk. Das eingängige "A2" klingt nach der Schnittmenge aus wummerndem Techno und 80s Revival-Act. Die Gitarre übernimmt den Lead, suhlt sich in all dem Platz, den ihr das rhythmische Skelett zusichert. Ihre Schlussnote zieht sich genüsslich in die Leere, als wolle sie ein Statement setzen. "Freundschaft" wagt sich noch weiter in New-wavige Gefilde vor. Die Drums sind super simpel gehalten, die Gitarre hallt in vergleichsweise leeren Raum herein.

Wie es hingegen aussieht, wenn der Song dem Beat geopfert wird, demonstrieren Camera mit "El Ley" vorzüglich. Immer weiter und weiter prescht das Schlagzeug voran, unterstützt von bewusstseinsbenebelnden Synthesizern, die erbarmungslos zirkulieren. Erinnerungen an Tangerine Dream werden wach, während sich mein gesamter Körper dem Beat ergibt. Hier ist sein Gebiet, ich bin bloßer Gast. Willenlos lasse ich mich von ihm treiben.

Erst "Schmwarf" erweckt mich aus meiner Trance. Elektronisch verfremdet begegnet mir eine dünne Stimme, kaum noch menschlich. Es fühlt sich wie ein dunkler Albtraum an, gemastert von Console. Hier wird nicht auf der Gitarre gespielt. Nein. Die Gitarre dient hier als pures Folterinstrument, unnatürlich hoch und ohrenzerfetzend. Der Song an sich ist mehr eine Anzahl an Songfragmenten denn ein kohärentes Werk. Immer wieder wechseln sich musikalische Ideen ab und überlagern sich, während im Hintergrund ein Metronom unbarmherzig den Takt angibt.

Doch der Referenzrahmen auf "Prosthuman", dem vielleicht besten Albumnamen des Jahres, beschränkt sich nicht auf Krautrock und Post Punk. "Alar Alar" exerziert eine Art Dub auf Speed, das zerfahrene "Überall Teilchen / Teilchen Überall" suhlt sich im Progressive Rock. Der "Prosthuman" ist ein vielschichtiges Geschöpf. Nie vorhersehbar und erst recht nie ganz greifbar.

Trackliste

  1. 1. Kartoffelstampf
  2. 2. Alar Alar
  3. 3. Prosthuman / Apptime
  4. 4. Überall Teilchen / Teilchen Überall
  5. 5. Freundschaft
  6. 6. El Ley
  7. 7. Schmwarf
  8. 8. A2
  9. 9. Chords4 / Kurz Vor
  10. 10. Harmonite

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