laut.de-Biographie
Cappadonna
Darryl Hill, eher unter seinem Alias Cappadonna ein Begriff, gilt als das zehnte Rad am Wu-Tang-Monstertruck. Zwar steht er dem Clan näher als alle anderen Emcees aus der großen Wu-Familie, doch viele Fans der Gruppe erkennen ihn, seiner Präsenz auf den Alben "Wu-Tang Forever" und "The W" zum Trotz, nicht als vollständiges Mitglied an. Wie kommt's?
Ende 1993, als RZA Freunde und Verwandte um sich schart, um eine der bedeutendsten Rap-Supergroups aller Zeiten ins Leben zu rufen, sitzt Mr. Hill, geboren 1969 in Staten Island/New York, im Knast. Ihm wird Zuhälterei zur Last gelegt. So kann er nicht (wie ursprünglich vorgesehen) ein paar Zeilen zum bahnbrechenden Debüt des Clans beitragen. "Enter The Wu-Tang" findet ohne Darryl statt. Als Entschädigung darf er dafür in den Videos zu "Protect Ya Neck" und "Cream" ein wenig posen. Ein Jahr später bekommt er auf Raekwons Soloplatte "Only Built 4 Cuban Linx" endlich Gelegenheit, seine Skillz unter Beweis zu stellen.
Zu diesem Zeitpunkt allerdings geht er noch als Cappachino an den Start. "Mein Bruder hat mir meinen Namen gegeben, Cappadonna, das klingt sehr spirituell, für den soften Part heiße ich Cappachino. So kann ich Himmel und Hölle sein", kommentiert er die Wahl seines bevorzugten Bühnennamens Jahre später gegenüber der Juice.
Der Griff zum Mikrofon bezeichnet einen Wendepunkt in Cappas Leben. Seine kriminelle Karriere auf den Straßen der New Yorker Park Hill Projects gehört der Vergangenheit an. Für eine ordentliche Gangster-Laufbahn fehlt plötzlich schlicht die Zeit: 1996 wird Cappadonna auf Ghostface Killahs Debüt "Ironman" ausgiebig gefeaturet.
Auf dem legendären zweiten Clan-Album "Wu-Tang Forever" ist er im Jahr darauf als Dauergast mit von der Partie. "Ich bin schon Teil des Clans, aber ich werde immer ein Feature bleiben, weil ich für mich schon selbst genommen ein Feature bin." Einen weiteren Schritt zum Ruhm markiert Cappa - wie jeder echte Wu-Tang - mit der Veröffentlichung seiner Soloplatte "The Pillage".
Die Scheibe erscheint 1998 bei Epic Records und ruft dies- und jenseits des Atlantiks gemischte Reaktionen hervor. Für die einen leitet Cappadonnas Debüt die kreative Krise des Wu-Tang-Sounds ein, für die anderen gehören seine komplexen Beatgerüste zu den Highlights der mittleren Phase. Sein harter, rauer Flow und die reichlich verwendeten Slangausdrücke verströmen einen gewissen Reiz. Dennoch fällt es Cappadonna schwer, sich neben den begnadeten Wu-Emcees zu behaupten. Sei es, wie es sei: Die werten Kritiker erhalten von Cappadonna ein paar Gläser mit toten Bienen als Anregung verehrt: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.
1999 und 2000 sammelt Cappa materielle wie ideelle Pluspunkte. Eine Klamottenlinie spült ihm reichlich Geld in die Taschen. Für massive Anerkennung sorgt sein Engagement beim "Hip Hop for Respect"-Projekt für den von Polizisten umgenieteten Amadou Diallo. Cappadonna polarisiert gerne: Eine Behauptung, für deren Wahrheitsgehalt sich sein zweites Album "The Yin And The Yang" prima als Beleg heranziehen lässt.
Er schiebt dem zwar kommerziell erfolgreichen, aber sperrigen Clan-Opus "The W" (Der Zusatz "feat." fehlt hier. Cappadonna wird gehandelt wie jeder andere Clan-Bruder auch) eine Scheibe nach, auf der es von modernen, poppigen Beats nur so wimmelt. Kollabos mit Jermaine Dupri und Da Brat sprechen eine eingängige Sprache. Cappas heiserer, leicht prolliger Flow sorgt trotz allem für die nötige Roughness, um die Platte auch für Wu-Headz interessant zu machen.
2001 legt der Clan mit "Iron Flag" nach. Doch wo steckt Cappadonna? Weit und breit ist nichts von ihm zu hören. Auch bei eingehender Betrachtung ist das einzige, das von Derryl Hill verbleibt, ein Stück seines Beins im Cover-Artwork. Der Rest muss wohl nachträglicher Bearbeitung zum Opfer gefallen sein. Obwohl er an der Entstehung des Albums mitwirkt, bleibt im fertigen Produkt keine einzige Cappadonna-Zeile erhalten.
Ganz offensichtlich eskalieren die Spannungen zwischen den restlichen Mitgliedern der Crew und Cappadonna, der sich wiederholt über Ausgrenzung aus dem inneren Clan-Kreis beschwert. Man sagt, ein Zeitungsartikel in der Village Voice verriet den Clan-Männern, Cappadonnas Manager Michael Caruso arbeite als bezahlter Spitzel für das New Yorker Police Department: Vielen Dank, Cappadonna. Die Zusammenarbeit wird hiermit für beendet erklärt.
Cappadonna veröffentlicht bei Epic noch eine Abschieds-Best Of ("Cappadonna Hits", 2002) und fällt anschließend in ein tiefes Motivationsloch. Er hängt seine Karriere an den Nagel, verlässt Kind und Kegel und schlägt sich als Taxifahrer in Baltimore durch. Sein Alias "The Cab Driver" erinnert an diesen Lebensabschnitt. Über den letztendlichen Grund für seinen abrupten Sinneswandel wird nach wie vor wild spekuliert. Gerüchte über finanzielle Streitereien mit Wu-Tang-Boss RZA erweisen sich im Nachhinein als unbegründet. Cap verfährt zumindest zum Teil nach dem Motto: Nur ein hungriger Emcee ist ein guter Emcee.
Taxifahren scheint ordentlich Hunger zu machen. Im Herbst 2003 steht Cappas drittes Studioalbum "The Struggle" in den Läden. Er besinnt sich hier auf den Hardcore-Rap seines Debüts. Trotz aller Widrigkeiten repräsentiert er nach wie vor die Clan-Familie. Features von Inspectah Deck, Raekwon und Wu-Affiliate Remedy (auf dessen Label "The Struggle" erscheint) setzen unübersehbare Zeichen.
Der Frieden soll allerdings nicht von langer Dauer sein: Bereits wenig später werden seitens Cappadonna erneut unschöne Beschuldigungen laut, RZA betrüge ihn um ihm zustehende Tantiemen: Eine Behauptung, die das Clan-Oberhaupt stets energisch bestreitet. Doch: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Bei der Reunion-Show des Clans bei einem Festival in Kalifornien steht Cappadonna gemeinsam mit den anderen auf der Bühne, als sei nie etwas vorgefallen. Der Auftritt ist auf der CD und der DVD "Disciples Of The 36 Chambers" dokumentiert.
Die Bande innerhalb des Clans sind stark und offensichtlich nicht so einfach zu kappen: Cappadonna zumindest lassen sie nie ganz los. Er tritt immer wieder in Wu-Tang-Zusammenhängen in Erscheinung. Auf Mathematics' "The Problem" von 2005 ist er in "Spot Lite" zu hören. Ghostfaces "Fishscale" bietet ihm im Jahr darauf mehr als eine Platform: Cappadonna rappt in "Dogs Of War", Jellyfish" und im gefeierten Track "9 Milli Bros".
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