Porträt

laut.de-Biographie

Cocteau Twins

Mit den sphärischen Gitarren-Klängen Robin Guthries und der engelsgleichen Stimme Elizabeth Frasers definieren die Cocteau Twins in den Achtzigerjahren ein ganzes Genre: Dream Pop. Bands wie My Bloody Valentine, Slowdive und Beach House beeinflussen sie mit ihrer Musik nachhaltig.

Best of 1982: 40 Jahre, 40 Alben Aktuelle News
Best of 1982 40 Jahre, 40 Alben
Die frühen Achtziger hatten es in sich, was sich wieder daran zeigt, wen wir alles weggelassen haben: Sorry, kein Platz mehr für Prince, Kiss, Oldfield ...

Dabei liegen die Wurzeln im Punk. 1979 begegnet Liz Fraser ihre zukünftigen Mitmusiker Robin Guthrie und Bassist Will Heggie in ihrem verschlafenen Heimatort Grangemouth an der Ostküste Schottlands. Dort gibt es einen kleinen Club, den sie öfters besucht und in dem Guthrie regelmäßig Platten von den Sex Pistols, Ramones und den Stooges spielt. Ohne diese Scheiben hätte sie sich nie für Musik begeistern können und hätte einen stinknormalen Job in einem Fast-Food-Laden angenommen. Des Weiteren lässt sie sich für ihr optisches Erscheinungsbild von Wilma Feuerstein inspirieren, wie sie selbst erzählt. Die Band-Gründung erfolgt letzten Endes 1980, aber nicht nur das: Sie geht auch mit Guthrie privat eine Beziehung ein.

Den Bandnamen entleihen die drei Musiker einem Demo-Song der Glasgower Simple Minds. Die frönen damals noch dem Punk und verweisen in dem Track wiederum auf den französischen Schriftsteller, Regisseur und Maler Jean Cocteau. Zunächst versucht die Formation mit ihrem "belächelten wie ehrfurchtsvoll gehörten Gesang", wie der Rolling Stone schreibt, in ihrer schottischen Heimat Fuß zu fassen.

Als die Musik aber nicht den erhofften Anklang findet, verschlägt es sie nach London, um mit Hilfe des bekannten BBC-Discjockeys John Peel einen Plattenvertrag zu ergattern. Der macht zwar ein paar Aufnahmen mit ihr. Es war jedoch der Plattenverkäufer Simon Raymonde, der die Cocteau Twins dem Mitbegründer des damals frisch gegründeten Labels 4AD, Ivo Watts-Russell, vorstellt. Dort unterzeichnet auch die Truppe. Das Debüt "Garlands" kommt schließlich im September 1982 auf den Markt. Das prägen vor allem düstere Post-Punk-Einflüsse Marke Joy Division und Siouxsie & The Banshees anstatt die rohe Energie des Punks.

Mit den beiden nachfolgenden EPs "Lullabies" (1982) und "Peppermint Pig" (1983) lösen sich die Schotten im Anschluss allmählich von diesem Sound und entwickeln nach und nach eine völlig eigene Klangwelt, die man später Dream Pop nennt. Mit dem im Oktober 1983 veröffentlichten Zweitwerk "Head Over Heals", mit dem sie erstmalig in den UK-Charts einsteigen, schillert dieser Stil dann in voller Pracht.

Der besteht im Grunde nur aus Sound, denn Guthrie kann eigentlich gar nicht Gitarre spielen, weiß aber dafür umso besser, mit Effekten und Hall umzugehen. Jedenfalls manipuliert er seine Saiten-Töne so, dass sie schwere- und körperlos durch den Raum wandern.

Fraser sucht ihre Texte hauptsächlich in fremdsprachigen Büchern und Wörterbüchern, so dass sie zu einer eigenen Fantasie-Sprache findet, die sie nicht einmal selbst richtig begreift. "Diese Worte haben keine Bedeutung - bis ich sie singe", heißt es in einem ihrer seltenen Interviews gegenüber der BBC. Und wie sie singt: so himmlisch, dass es nicht von dieser Welt klingt. Dazu gesellen sich noch rhythmisch prägnante Bass- und Drum-Computer-Klänge hinzu. So kann jeder Hörer selbst die Musik der Cocteau Twins mit eigenen Gedanken und Emotionen füllen.

Das führt zum Erfolg: Innerhalb kürzester Zeit bildet die Band einen essentiellen Teil der Londoner Musik-Szene und beteiligt sich an der Musik anderer Projekte wie der 4AD-Hausband This Mortal Coil, wo auch Simon Raymonde mitwirkt. Der steigt nach den Aufnahmen des This Mortal Coil-Debüts "I'll End In Tears" bei den Cocteau Twins als Bassist ein, nachdem Will Heggie sich der Alternative-Formation Lowlife anschließt. Die Platte enthält eine von Liz Fraser gesungene Coverversion des Tim Buckley-Songs "Song To The Siren", die zu Tränen rührt und die sehr viel später, nämlich 1997, David Lynch in seinem Film "Lost Highway" verwendet. Die kommt im September 1983 als Single auf den Markt.

Darüber hinaus gelingt der Band mit ihrem Auftritt bei Top of the Pops der Sprung in den Mainstream. Mit der EP "Sunburst And Snowblind" (1983), der 7'' "Pearly-Dewdrops' Drops" und 12'' "The Spangle Maker" (beide aus dem April 1984) kann sie zudem qualitativ an "Head Over Heals" anknüpfen und erneut Platzierungen in den UK-Charts verbuchen.

Aber erst mit dem im November 1984 veröffentlichten Drittwerk "Treasure", der ersten Cocteau Twins-Aufnahme mit Raymonde, erntet sie die weitreichende Anerkennung, die sie verdient hat. In der Doku "Beautiful Noise" gesteht Robert Smith von The Cure später sogar, dass er so einen romantischen "Sound" damals noch nie "gehört" habe. Bis heute zählt die Platte in unterschiedlichen Musikmagazinen zu den besten Alben der Achtziger.

Zudem verehren einige Fans die Schotten fast schon kultisch: So sehen sie ihre Konzerte, wenn Fraser fast bewegungslos im Zentrum steht und eine Nebelmaschine die Band in Trockeneis hüllt, als spirituelle Erweckungserlebnisse. Mit den 1985 veröffentlichten EPs "Aikea-Guinea", "Tiny Dynamite" und "Echoes In A Shallow Bay" gestalten die Cocteau Twins ihre Musik noch weitläufiger als auf den Vorgängern. Mit "Victorialand", das sie im April 1986 herausbringen, öffnen sie sich dann dem Ambient. Im Anschluss arbeiten sie für "The Moon And The Melodies", das rund ein halbes Jahr später erscheint, sogar mit einem Pionier dieses Genres zusammen, Harold Budd. Dazwischen gibt es noch die EP "Love's Easy Tears".

Zu ihrem typischen Dream Pop-Sound besinnen sich die Schotten schließlich wieder auf dem im September 1988 veröffentlichten "Blue Bell Knoll" zurück. Das markiert einen Wendepunkt in ihrer musikalischen Entwicklung, da sie den massiven Einsatz von Studiotechnik und die Verfremdung des Gitarren-Sounds auf dieser Platte auf die Spitze treiben. Als Konsequenz steigen sie erstmalig in die Top 200 der US-amerikanischen Album-Charts ein.

Cocteau Twins - Heaven Or Las Vegas Aktuelles Album
Cocteau Twins Heaven Or Las Vegas
Die ätherische Psychedelik inspirierte Bands über alle Genregrenzen hinweg.

Im Anschluss findet Elizabeth Fraser auf dem Nachfolger "Heaven Or Las Vegas", der im September 1990 erscheint, zunehmend eine klarere Sprache und wendet sich dem Englischen zu. Häufig kreisen die Texte des Albums um ihre Tochter Lucy-Belle. Außerdem konzentriert sich die Band wieder mehr auf ihr Songwriting. Am Ende steht damit ihr sowohl zugänglichstes und poppigstes als auch ihr kommerziell erfolgreichstes Werk.

Danach kommt nach und nach fast der gesamte Backkatalog der Cocteau Twins in den USA heraus. Anlass bildet die erste Tournee der Band im Land der unbegrenzten Möglichkeiten im gleichen Jahr. Zeitgleich lösen sich die Dreampopper nach einem Streit von 4AD und unterschreiben bei Fontana. Auch privat kriselt es so langsam: Guthrie flüchtet in Alkohol und Drogen, Fraser holen ihre Traumata aus ihrer Kindheit ein.

Auf "Four Calendar Café" verarbeitet sie dies. Sie fragt in "Bluebeard" etwa, ob ein Mann gut oder eher toxisch sei. Das Album erscheint im Oktober 1993, nachdem My Bloody Valentine auf "Loveless" und Slowdive auf "Souvlaki" die Musik der Cocteau Twins in einem eigenständigen Shoegaze-Kontext überführen. Musikalisch schließen die Schotten mit dem Werk aber zumindest erfolgreich an dem Alternative-Rock-Sound der 90er-Jahre an, auch weil sich Guthrie zu einem routinierten Gitarristen entwickelt hat. Der hebt im Anschluss mit Raymonde das Label Bella Union aus der Taufe, um die Musik der Band unabhängig von einer anderen Plattenfirma herausbringen zu können. Von Fraser trennt er sich privat.

Die schwebt danach mit Sänger Jeff Buckley, dem Sohn von Tim Buckley, im siebten Himmel. Der hatte sich mal irgendwann in den 80ern in ihre Stimme verliebt, als er ihre Interpretation von "Song To The Siren" zum ersten Mal gehört hatte. Fraser wollte unbedingt ein Duett mit ihm. Beide gehen eine kurze, aber dafür umso leidenschaftlichere Beziehung ein und nehmen zusammen den Song "All Flowers In Time Bend Towards The Sun" auf, der jedoch nie kommerziell veröffentlicht wird. Das Stück "Rilkean Eyes" auf dem nächsten Cocteau Twins-Studioalbum "Milk & Kisses" stellt außerdem eine Hommage an Jeff Buckley dar, der eine große Vorliebe für Schriftsteller Rainer Maria Rilke hatte.

Die Platte, die im März 1996 auf den Markt kommt und auf der man wieder mehr ätherische Einflüsse als auf den Vorgängern vernimmt, soll auch die letzte der Dreampopper sein, nachdem sie sich ein Jahr zuvor mit der EP "Otherness" in Trip Hop-Gefilde vorwagen, ohne die Klasse Portisheads auch nur im Ansatz zu erreichen. 1998 löst sich die zerstrittene Band auf.

Danach steigt Liz Fraser selbst zur Ikone des Trip Hops auf, als sie Massive Attacks "Teardrop" im gleichen Jahr ihre Stimme leiht, das ursprünglich mal Madonna singen sollte. Beim Schreiben des Textes hat sie vor allem Jeff Buckley im Kopf gehabt, der ein Jahr zuvor bei einem tragischen Unfall ertrinkt. Darüber hinaus sieht sie eine Solo-LP für 2007 vor, die sie allerdings nie veröffentlicht.

Simon Raymonde widmet sich dagegen schon vor der Band-Auflösung seinem Solo-Werk "Blame Someone Else" zu, das er 1997 herausbringt. Robin Guthrie überführt ab den Nullerjahren seine sphärischen Gitarren-Klänge in einem Ambient-Kontext und arbeitet unter anderem für mehrere Alben wieder einmal mit Harold Budd zusammen, nimmt aber auch eigene Studio-Platten und Soundtracks auf.

Von den Cocteau Twins hört man dagegen nur kurzzeitig etwas, als 2005 plötzlich im Raum steht, dass es beim Coachella-Festival in Kalifornien noch einmal zu einem gemeinsamen Auftritt Frasers, Guthries und Raymondes kommt, gefolgt von einer ganzen Tournee. Das dementiert Liz noch in der selben Woche, da sie ihrem Ex unter keinen Umständen begegnen möchte.

Dafür findet die Sängerin privat ihr Glück mit Ex-Echo And The Bunnymen-Drummer Damon Reece, mit dem sie ebenfalls eine gemeinsame Tochter namens Lily hat. Und auch die Fans dürfen sich freuen: Mit "Lullabies To Violaine" veröffentlicht 4AD 2005 ein Boxset, das sämtliche Singles und EPs der Band versammelt. Es kommen ein Jahr danach zusätzlich noch zwei separate Doppel-CD-Versionen dieses Sets auf den Markt.

Insgesamt haben die magischen Töne der Cocteau Twins bis heute nichts an Aktualität eingebüßt, denn seit Mitte der Nullerjahre erleben sie mit Bands wie Beach House oder DIIV ein Revival und erreichen dadurch immer noch eine jüngere, hippere Zielgruppe.

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