laut.de-Kritik

Mit solcher Herz-Lungen-Wiederbelebung krepiert es sich schlecht.

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Stürbe Hip Hop tatsächlich jedes Mal, kaum dass ihn jemand für tot erklärt, das Genre stünde mit seinem Lazarus-Talent längst im Guinness-Buch. "If they thought rap was dead tell the heads shit is resurrected", kündet "Da Roach" nun von einer weiteren Wiederkehr. So lange durchgeknallte Haudrauf-Hupen wie Dope D.O.D. für die Herz-Lungen-Wiederbelebung sorgen, krepiert es sich halt einfach ziemlich schlecht.

Die Platte macht ihrem Titel alle Ehre. Die Kakerlake dürfte schließlich zu den wenigen Spezies zählen, die die nukleare Apokalypse überleben. Genau danach hört sich "Da Roach" über weite Strecken an: nach finsterem, verwüsteten, verseuchtem Ödland. Die unheilschwangeren Beats versorgen die Horrorfilme, die Dope D.O.D. in den Köpfen ihrer Hörer abspulen, von Anfang bis zum bitteren Ende mit stimmigen, unheimlich unheimlichen Kulissen.

Gleich die erste Nummer beamt auf das verwaiste Wrack der "Millennium Falcon" - doch, Obacht! Dass das so verlassen gar nicht ist, merkt man spätestens, wenn einen Jay Reapers Rap von der Seite anfällt. "T minus one secold I'll be exploding." Bumm! Die Kollegen Skits Vicoius und Dopey Rotten erledigen den Rest, "rocket launcher style": "Ready to slaughter, give me a reason." Es bleibt die inständige Hoffnung, niemals einem der Kinder zu begegnen, die diese Herren in den Schlaf gesungen haben. Gut möglich, dass "Da Roach" irreparable Schäden hinterlässt. Eindruck auf jeden Fall.

Industrial, Dubstep, Drum'n'Bass, Hardcore-Rap: Alles, das entweder düster, brutal oder gleich nach beidem tönt, kommt Dope D.O.D. gerade recht. Die Methode ist egal, Hauptsache, der Sound resultiert in einem Blutbad. Aus bratzigen, wummernden, nervenzersetzenden Sounds stricken die Niederländer alptraumhaft klaustrophobische Klanglandschaften, die Bilder von rauchenden Trümmern und schwelenden Ruinen vor dem geistigen Auge herauf beschwören.

"Rocket" etwa schiebt sich knarrend durchs Fleisch und schraubt sich direkt in den Knochen: "Witness the crispness." Der prägnante Bass und viel Raum verleihen "Dope Vs. Gold" gehörigen Dub-Vibe. "Panic Room" versetzt die Dusch-Szene aus "Psycho" in ein Dubstep-Umfeld. "Granted" lässt akustische Nebelschwaden um die Knöchel wabern.

Fällt die erste Hälfte des Doppelalbums noch äußerst technoid und mechanisch aus, wandelt sich das Klangbild auf der zweiten Platte. "The Butterfly Effect" (von dem ich mir übrigens dringend eine Milow-Version wünsche, um den Frisösen und Sekretärinnen dieser Welt nach "Ayo Technology" weitere dreckige Lyrics nahe zu bringen) gerät beinahe schon tanzbar.

Fühlte man sich lange in einem aufgegebenen Raumschiff oder einer leer stehenden, verfallenen Fabrikhalle ausgesetzt, verlegt "Hallucinations" den Ort des Geschehens eher in eine Tropfsteinhöhle. "Lil Bit A XTC" erweitert das Bewusstsein um weitere psychedelische Klänge, ehe zum "Groove" wieder die Killerdrohnen einschwirren: "This shit turns most made men to maids", also: Passt besser auf.

"Da Roach" sollte jedem, der Vergnügen aus roher Gewalt, Sci-Fi- und Splatterstreifen (die Dope D.O.D. fröhlich zitieren) und gepflegter Endzeitstimmung zieht, erheblich Freude bescheren. Trotzdem besitzt das Album seine Längen, die es hauptsächlich dem doch sehr ähnlichen Vortragsstil seiner drei Hauptakteure schuldet. Ein wenig eintönig geht es schon zu, auf der dunklen Seite.

"We're beeding hip hop", das nehme ich Dope, Skit und Jay durchaus ab. Allerdings variieren sie ihren Flow von Track zu Track kein bisschen und unterscheiden sich voneinander lediglich in Nuancen. Bis jeder jeweils seinen Vers abgeliefert hat, kann ein Track da schon einmal zu einer langwierigen Angelegenheit ausarten. Eine in Zeitlupentempo in den Gehörgang gedrehte Faust behindert auf Dauer eben doch.

Für Abwechslung sorgen allerdings geradezu grandios gewählte Gäste. Redman schaut für "Groove" zu einer Runde "hangin' with the weirdos" vorbei. Die Battle "Dope Vs. Gold" tragen Dope D.O.D. gegen die Kollegen von den Goldminerz aus.

"You can't mess with the sickest" - Onyx können das allerdings sehr wohl: Wenn Fredro Starr und - wie garstig klingt der eigentlich? - Sticky Fingaz aufmarschieren, empfiehlt sich tatsächlich der Rückzug in den "Panic Room", so gemeingefährlich wirkt diese Allianz. Sean Price kehrt kurz vor Schluss noch "Ash N Dust" zusammen.

Den fiesesten Auftritt hat da allerdings längst Kool Keith hingelegt, der sich nach seinem eiskalten Vers mit vollem Recht in Ice Keith umtaufen könnte. Brrr! Wer auf Lynchs "Eraserhead" oder Polanskis "Ekel" abfährt, dürfte auch den "Brainworms" einiges abgewinnen können. Das ganze Gehirn weggelutscht? Scheiß drauf. "Da Roach" setzt ohnehin am vegetativen Nervensystem an.

Trackliste

CD 1

  1. 1. Millennium Falcon
  2. 2. But For Now
  3. 3. Bloodbath
  4. 4. Brainworms feat. Kool Keith
  5. 5. Black Rain
  6. 6. Dope Vs. Gold feat. Da Goldminerz
  7. 7. Rocket
  8. 8. Panic Room feat. Onyx
  9. 9. Granted

CD 2

  1. 1. Spaz feat. Simon Roofless
  2. 2. Deal With The Devil
  3. 3. The Butterfly Effect
  4. 4. Hallucinations
  5. 5. Lil Bit A XTC
  6. 6. Groove feat. Redman
  7. 7. Twinkle
  8. 8. Staring Thru Da Blinds
  9. 9. Ash N Dust feat. Sean Price

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