laut.de-Kritik

Die Frau ist der Star.

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Zwischen Hommage und Blasphemie, Bereicherung und Faulheit, Collagieren und Agitation: Coverversionen. Sie können einen neuen oder erstmaligen Zugang zum Werk eines anderen Künstlers sein, aber auch Fans der Originale auf die Barrikaden bringen. Eine klassische Gratwanderung stellt nun auch das gemeinsame Album "Gentlewoman, Ruby Man" von Flo Morrissey und Matthew E. White dar.

Aus einer Liste, die der Legende nach 700 Songs umfasst haben soll, wählte das Duo zehn Stücke aus dem letzten halben Jahrhundert. Die Feuilletonisten waren schon eine Weile vor Veröffentlichungstermin so "Yeah" und ergossen sich in schlimmsten Männlein-Weiblein-Analogien in Bezug auf Musik und allem, was sich so anbot. Irritierend daran allerdings, was Matthew E. White bei der ganzen Nummer für eine Rolle spielen soll.

Ist er wirklich eine Art Mentor, der die junge Frau Richtung Rampenlicht hieven muss? Die Antwort ist ein vehementes Nein, denn tatsächlich ist Flo Morrissey der Star dieser Platte. Erst 2015 haben sich die beiden Künstler bei einem Konzert kennengelernt und schnell gemeinsame Sache gemacht. "So flower power didn't work / So what? We start again", drohte einst John Lennon und Morrissey und White schicken sich an, diesen Plan fortzuführen.

Mit "Gentlewoman, Ruby Man" ist eine Hippie-Platte entstanden, die sich an einigen Genres bedient, aber immer blumig klingt. Das variationsreichste Instrument dabei ist Morrisseys unglaubliche Stimme, die von sanft bis stark alles kann. Es gibt Coverversionen, die sehr bis zu nah am Original liegen ("Looking For You" von Nino Ferrer) oder ein ganz anderes Gewand tragen ("Look At What The Light Did Now" - hier eine aufgeplusterte Feelgoodnummer eines Little Wings-Songs).

Auch an eher fremde Genres trauten sich White und Morrissey ran, wie an Frank Oceans "Thinking Bout You". Das klingt gar nicht mal schlecht, doch im Vergleich - und Vergleiche muss man sich als Cover-Interpret gefallen lassen - fehlt ganz einfach der Soul. Spätestens mit diesem Song hat sich jedoch Flo Morrissey in den Vordergrund gearbeitet. Auch bei "The Colour In Anything", ursprünglich von James Blake, strahlt sie. Es ist eine Hommage – oder sogar eine Antwort auf den zarten Sound des Engländers.

Es gibt allerdings auch die erwartbaren, langweiligen Versuche, deren Indieschmonz-Existenz nur gut ist, um sich wieder an die Originale zu erinnern, wie "Everybody Loves The Sunshine" von Roy Ayers und "Grease" für den obligatorischen Hit (zuerst gesungen von Frankie Valli). Whites eher blasses Vokalorgan wird bei Leonard Cohens "Suzanne" enttarnt und fällt auch sonst weit hinter das Original zurück. Einen guten Job machen White und Morrissey aber auf "Sunday Morning". Wäre bei Velvet Underground der Sonntagmorgen der Zeitpunkt des ersten Aufblinzelns im Bett, so ist es bei den beiden der Moment nach dem ersten Kaffee.

Kann man also alles machen, klingt auch manchmal gut und wird bei Liveauftritten bestimmt nett, aber die größte Erkenntnis des Albums bleibt: Flo Morrissey ist ein Star und braucht keinen Mentor, der Schatten in ihr Rampenlicht trägt, sondern dringend ein nächstes, eigenes Album.

Trackliste

  1. 1. Look At What The Light Did Now
  2. 2. Thinking Bout You
  3. 3. Looking For You
  4. 4. The Colour In Anything
  5. 5. Everybody Loves The Sunshine
  6. 6. Grease
  7. 7. Suzanne
  8. 8. Sunday Morning
  9. 9. Heaven Can Wait
  10. 10. Govindam

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