laut.de-Biographie
Flogging Molly
Preisfrage: was haben Lemmy Kilmister und Flogging Mollys Frontmann Dave King außer ihrer Liebe zu Hochprozentigem noch gemeinsam? Beide spielten mit einem gewissen Fast Eddy Clarke zusammen, der in frühen Jahren den Ruf von Motörhead entscheidend mitprägen sollte. Clarke verlässt Motörhead und gründet Anfang der Achtziger die Combo Fastway. Mit an Bord ist außer Ex U.F.O.-Bassist Pete Way, dem ehemaligen Humble Pie-Schlagzeuger Jerry Shirley noch der junge, in Irland geborene Dave King, der als damals als hoffnungsvolles Nachwuchstalent gehandelt wird.
Sein Gesangsstil orientiert sich zu der Zeit stark am Gesang von Robert Plant. Das bringt ihm nicht ganz zu Unrecht den Vorwurf ein, lediglich zu imitieren, anstatt ein eigenes gesangliches Profil heraus zu arbeiten. Jedenfalls erntet er mit dem poppigen Hardrock von Fastway zusammen mit seinen Kollegen erste Chartslorbeeren. Vier Jahre bleibt er der Formation treu, aber nach dem Soundtrack-Beitrag zum Horrorfilm "Trick Or Treat" ist Schluss. Kurz danach zerstreut sich die Band in alle Winde.
David verschlägt es nach Los Angeles, genauer gesagt nach Hollywood, wo er nur mit Akustik-Gitarre bewaffnet in Bars und Clubs spielt. Wer sich Ire schimpft, sucht sich eben gern einen vernünftigen Pub, in dem er seinem Heimweh frönt und sich mit Landsleuten und Auswanderern dem gepflegten Suff hingibt. Der Laden, in dem er ständig einkehrt, hört auf den Namen Molly Malone's und befindet sich in der 575 South Fairfax Avenue. Neben saufen und Rugby ist Musik die dritte große Leidenschaft der Iren. Folgerichtig also, dass sich 1997 um King eine Combo bildet, die das Malone's bei Live-Auftritten ordentlich aufmischt, für gute Laune - und wichtig für die Besitzer - reißenden Guinness-Absatz sorgt. Nicht selten gerät ein Konzert der Band aus den Fugen, und das irische Temperament bricht sich seine Bahn. Da gibts dann schon einmal eins auf die Mütze, flogging eben. Und genau daher hat die Band auch ihren Namen, Flogging Molly.
Die Mucke der Band ist stark von irischen Heroen wie den Pogues und den Dubliners inspiriert. Tradition meets Moderne sozusagen. Wobei bei Flogging Molly das Punk-Element eine noch viel tragendere Rolle spielt als bei den Pogues. Trotz der Tatsache, dass im Malone's nicht wenige Bands bei einem Bier ihren Plattenvertrag unterschreiben (wegen der geografischen Nähe zu den Firmenzentralen in LA), steht eine Plattenkarriere oder Rockstartum nicht unbedingt auf dem FM-Plan.
Da passt es auch ins Bild, dass das erste Album, dass unter dem Label Flogging Molly erscheint, ein Live-Album ist. Ein ungewöhnlicher Schritt zwar, aber mit dem erwähnten Background mehr als verständlich. Aufgenommen 1997 im heimischen Molly Malone's klingt die Platte kantig und ungeschliffen, und genau das macht auch ihren Charme aus. Die Besetzung, die die Scheibe einspielt, besteht zu der Zeit aus King am Mikrofon und akustischer Klampfe, der Violinistin Bridget Regan, Tedd Hutt (Gitarre), Jeff Peters (Bass), George Schwindt (Schlagzeug) und Toby McCallum an der Mandoline.
Auf dem Album sind unter anderem "Selfish Man", "Every Dog Has Its Day" und "Black Friday Rule" zu hören, die als Neuaufnahme auch auf dem ersten, 2000 erscheinenden Studio-Album "Swagger" zu hören sind. Sinnlos aufs Schnitzel hauen ist jedoch nicht so ganz ihr Ding, und so finden sich neben gestandenen Abgehsongs wie "Devisl Dance Floor" und "Salty Dog" auch ruhigere Zwischentöne wie "The Worst Day Since Yesterday".
Mittlerweile ersetzt der charismatische Nathen Maxwell Jeff Peters am Bass, Bob Schmidt Toby McCallum am Mandolinchen, John Donovan kommt für Tedd Hutt ins Boot. Georges Bruder Guy hilft an der Trompete aus, und ein weiteres Instrument, das Akkordeon, kommt mit Matt Hensley zum Line Up hinzu.
Nachdem die Kunde der hervorragenden Live-Band auch bis zu einigen Labels durchgedrungen ist, erhält Sideonedummy den Zuschlag. Auf jenem Label ist auch die Ska-Formtaion Mighty Mighty Bosstones unter Vertrag, mit denen sie auf ausgedehnte Tour gehen. Bei den Bosstones im Vorprogramm zu spielen, kann eine recht heikle Angelegenheit sein, gelten deren Fans doch als fanatisch; nicht selten hat eine Supportband bei ihnen einen schweren Stand. Nicht so Flogging Molly. Obwohl ihr Punk'n'Folk'n'Sonstwas so rein gar nichts mit dem Ska der Bosstones zu tun hat, können sie die Tour als Erfolg abbuchen. Gerüchten zufolge soll Backstage der Bierkonsum in die Hektoliter gegangen sein.
Große Besetzungswechsel bringt die Aufnahmen zum nächsten Longplayer "Drunken Lullabies" nicht mehr mit sich, lediglich Guy ist nicht mehr als festes Bandmitglied mit dabei. Die Grundsubstanz des Flogging Molly-Sounds ändert sich auch 2002 nicht gravierend, sie machen es sich in ihrer Nische bequem und verlegen sich darauf, gute und anrührende Songs zu schreiben. Gespickt mit Davids Straßen-Poesie spenden ihre Lieder je nach Thema Trost, regen zum Nachdenken an, oder lassen die Hand nach dem nächsten Bierglas greifen. Ihr zweites Studio-Album steigt sogar auf Platz 157 in den US Billboard-Charts ein. Nicht schlecht für eine Band ohne großen Deal im Rücken.
Auch in Deutschland werden immer mehr Menschen auf die Band aufmerksam, spätestens seit dem 2004er Album "Within A Mile Of Home" sind sie nicht mehr der unbekannte Geheimtipp wie noch vor wenigen Jahren.
Im Sommer 2006 bringen sie folgerichtig ein Schmuckstück für ihre hierzulande wachsende Anhängerschaft auf den Markt: "Whiskey On A Sunday", eine CD mit den größten Songs, die Hälfte live, die andere Hälfte akustisch eingespielt. Auch ein neues Lied ("Laura") ist zu hören, dazu gibt's eine DVD mit vielen Geschichten und bewegten Bildern rund um die Band. 2008 folgt mit "Float" ein weiteres Studioalbum.
Mit dem CD-DVD-Box-Set "Live At The Greek Theatre" setzt die Combo 2010 ihrem Live-Schaffen die Krone auf. Und mit "Speed Of Darkness" veröffentlichen sie 2011 ihr bestes Album seit "Drunken Lullabies". Danach müssen Fans sich etwas gedulden, bevor mit "Life Is Good" 2017 wieder neues Studiomaterial erscheint.
Erst im Herbst 2022 lassen die Folk-Punk-Ikonen auf "Anthem" wieder die Pint-Gläser über den Tresen rutschen. Diese dürften angesichts des aktuellen Weltgeschehens wohl eher als halb leer wahrgenommen werden, während schwere Gemüter darüber brüten, aber immerhin kann das stirnrunzelige Trinken wieder in Gesellschaft stattfinden.
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