laut.de-Kritik

Die Vertonung des Paradieses.

Review von

"If You Will" ist englisch betitelt, aber komplett in der wunderschönen, melodiösen und eleganten Sprache Portugiesisch gesungen. Eine LP mit neuem Material, frisch aufgenommen, und doch die beste Zeitreise, die man sich vorstellen kann. Also zurück lehnen, hören, und die folgenden Infos entspannt lesen.

In der brasilianischen Musik gibt es so etwas wie eine gute alte Zeit. Da erblühten auf dem Nährboden des Jazz viele Musikstile und Tänze, die für das lateinamerikanische Land prägend sind: Bossa Nova, Vanguarda, Samba (mit Unterarten wie Enredo, Pagode und Batucada), Calango, Tropicalismo, Samba-Funk, Samba-Reggae und Fusionen regionaler Musik zum Beispiel des Forró mit Jazztanz.

Die letzten neuen Impulse mündeten in Lambada, Axé, Drum'n'Bass-Neo-Bossa, den Thrash-Metal-Axé-Überblendungen "Roots Bloody Roots" und "Rattamahatta" von Sepultura, Techno-Brega, Mangue Beat und Baile Funk. Es gibt definitiv kein Land auf diesem Planeten mit mehr eigenen Musikstilen und keines, in dem alle internationalen Musik-Genres ebenfalls mit eigenen Szenen in der Landessprache vertreten sind.

Für mehrere Songs von "If You Will" gilt das Prinzip der Lautmalerei, "la-da-da-da-di-da" und "bog-bog-bog-bah-ye-ehay", flächendeckend, fortlaufend, oder für Teile von Songs. Damit entsteht der Eindruck semi-instrumentaler Strecken, die einfach eine Stimmung ausleben ("If You Will", "Newspaper Girl", "Zahuroo", "A Flor Da Vida") - fantasievoller rund geschliffener Pop-Soul-Jazz für Menschen, die Songstrukturen mögen und nur dann Jazz hören, wenn er welche besitzt. Extrem schön schwingt das treibende "This Is Me".

Voller Begeisterung hangelt es sich mit dem perkussiven Imitat von Affen-Gequieke - Dauer-Stilmittel der Música Popular Brasileira - von befreiendem Silbensalat ("ba-da-ya-dai-ya") bis zu einem Text über Entscheidungen und Kompromisse, verfasst von Floras Tochter Diana. Die fiebrige und dichte Percussion-Arbeit von (Ehemann) Airto Moreira und drei weiteren Trommelkünstlern zaubert exotisierenden Regenwald-Effekt in die Lautsprecher. Soulvoll und eingängig flasht die harmonische, fröhliche Melodie. Nicht weniger als neun Leute setzen den Background-Choral zusammen und unterstreichen Flora Purims teils wild röhrenden Gesang. Alles zusammen hat ein bisschen was von Tribal Drumming und Trance-Gesängen.

Wie fest und klar Flora heute noch intoniert, führt sie in ihrem ausgefeilten Vortrag "Dois + Dois = Tres" (zwei plus zwei = drei) durchdringend, dynamisch, malerisch, facettenreich modulierend, nachdrücklich, aber auch weich, behutsam, sanft, jedenfalls sehr expressiv vor. Ein Bluesrock-Guitar Solo teilt ihre Emotionen-Flut in zwei Abschnitte. Die Chick Corea-Nummer "500 Miles High" profitiert von E-Piano und der klassischen Jazzbesetzung aus Bass, Klavier und Schlagzeug, hier mit dem Kolorit zusätzlicher Latin-Schlaginstrumente angereichert.

Am nächsten zum Bossa-Easy Listening, wie man ihn vom "Girl From Ipanema" kennt, gleitet das entzückende "Dandara" entlang. Weich, gehaltvoll, blumig, zart, nur in den Details mit Congas und Rasseln scharfkantig und knackig, verpflichtet sich diese Musik zu gleichen Teilen der Wurlitzer-Korg-Fender-Ästhetik der '70er/'80er wie auch den Vocal-Jazz-Anleihen im Bossa Nova der Sixties; abgerundet durch das überwiegend akustische "Lucidez", in dem Details wie Schmirgelpapier oder Wasserrauschen zur stimmungsschwangeren Atmosphäre beitragen und Flora ihre Stimme in anmutige Höhen und leicht getänzelte Bögen erhebt. 

"If You Will" begnügt sich nicht damit, ein Lebenszeichen zu sein, sondern punktet als zeitloses Denkmal dessen, was Easy Listening-Musik leisten kann und wie eine fremde Sprache auf dem internationalen Markt gut ins Ohr gehen kann. Diese Platte gibt nichts vor zu sein, was sie nicht ist, sondern bewegt sich im Karrée der Koordinaten, in denen Flora Purims Stimmgewalt am besten zum Ausdruck kommt. Beste Unterhaltung entlang von neun Tracks, die alle voller Emotion und lebhafter Atmosphäre stecken und satte Klangfarben malen. Aufgenommen in Curitiba, tief im Süden Brasiliens, möchte man beim Hören augenblicklich dort hin. Hier wurde das Paradies vertont.

Trackliste

  1. 1. If You Will
  2. 2. This Is Me
  3. 3. 500 Miles High
  4. 4. A Flor Da Vida
  5. 5. Newspaper Girl
  6. 6. Dandara
  7. 7. Zahuroo
  8. 8. Dois + Dois = Tres
  9. 9. Lucidez

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