laut.de-Kritik
Zum Heulen schön: alternativer Schlager aus Österreich.
Review von Hannes HußÖsterreich wirkt manchmal wie eine verrutschte Kopie der Bundesrepublik, in der alles fast identisch ist. So ungefähr fühlt sich zumindest die neue Platte von Fuzzman an. "Endlich Vernunft" ist so schlageresk selig, dass man eigentlich Angst vor einem Zuckerschock bekommt: Als würde man drei Packungen Mozartkugeln hintereinander verschlingen, während im Hintergrund ein Marathon deutscher Heimatfilme aus den 1950ern (Almmädels, fesche Bauernbuben und eine lebenslange CDU-Parteimitgliedschaft). Da Fuzzman aber aus der Alpenrepublik kommt, verstecken sich hinter den Holzbläsern und Akustikgitarren Abgründe, in die er sich geradezu hineinstürzt.
Früher, vor vielen Stilwendungen, wurde Herwig Zamernik mal der österreichische Beck genannt. Damals fungierte er noch hauptsächlich als Bassist bei Naked Lunch, der einzigen Ösi-90s-und-00s Band von internationalem Melancholieformat. Jetzt heißt er schon seit längerem Fuzzman und hat sich seit 2012 konsequent in Richtung alternativer Heimatschlager vorgearbeitet. Hier glänzt er als verschrobener Einsiedler und sitzt "nackt auf seinem Traktor vor der Scheuene." Er ist der "Mann hinterm Mond" und träumt "von dir". Das wunderbare "Und Ich Träume Vom Meer" ist ein Schmankerl der beiläufigen Ernsthaftigkeit. Diese Melancholie der Bläser, d Schunkel-Komposition, der Kontrabass. Alles lädt zum Mitwippen ein.
Zamernik steigert sich in seinen Gesang richtiggehend hinein. Zu Beginn noch nachlässig, beinahe genervt und langsam: "Und du willst reden, reden, reden, reden, reden / und ich würd lieber gar nicht". Direkt positioniert er sich als eine Art Außenseiter, ein Waldschrat eben, dem das Reden zuwider ist. Doch je länger er nicht redet, desto lauter wird er. Er imaginiert sich selbst als "liegenden Wal" und will doch nur ans herrgottsverdammte Meer.
In "Ein Heimatfilm" äußert sich sein Projekt am besten, den Schlager mittels Unterwanderung wieder anschlussfähig zu machen für diejenigen unter uns, die ansonsten eher Naked Lunch als Roland Kaiser sind. Wieder einmal fährt er all die Insignien des Heimatschlagers auf: Bläser, Knabenchöre, Bossa Nova-artiger Rhythmus. Dazu rattert Fuzzman alle Plattitüden eines Kaffekränzchens herunter, um sie alle zu widerlegen. Sein Leben mag ein Heimatfilm sein, aber halt auch ein "Pornofilm". Aus diesen verschobenen Bildern konstruiert Zamernik eben jene Melancholie, die Naked Lunch so großartig gemacht und im Schlager eigentlich nichts verloren hat.
Das instrumentele "Vom Ende" zeigt eine weitere, faszinierende Facette von "Endlich Vernunft": Düster trottende Seemannslieder. Der Song klingt mehr nach Seemannsbeerdigung denn Almhütte und stimmt genau deswegen perfekt auf den Closer "Laufn Und Lachn" ein. Hier nehmen die Chöre eine sakrale Stellung ein, während Fuzzman ein zutiefst trauriges Lied über eine unbekannte Zukunft singt. All die Freude, die aus seinen Zeilen wie "Dir wird nie mehr was wehtun / und nie mehr was fehlen" spricht, löst sich durch den todtraurigen Gesang in Luft auf. Seine Hintergrundband, die Signing Rebels legen sich noch mal ins Zeug, um diesem einzigartigen, liebenswürdigen Album die letzte Ehre zu erweisen. Zum Heulen schön.
1 Kommentar
schönes album, gute rezension.