laut.de-Kritik
"Borders are scars on the face of the planet"
Review von Sven KabelitzDrei lange Jahre liegen zwischen "Trans-Continental Hustle" und "Pura Vida Conspiracy". Die ersten Gogol Bordello-Jünger nüchtern aus und erwachen aus ihrem Komaschlaf. Langsam wird es Zeit den Tourbus wieder zu starten. Mit einem Auftritt an Madonnas Seite, einem von Rick Rubin produzierten Album sowie dem qualvoll aufgesetzten "Let's Get Crazy", Coca Cola-Partytrack zur UEFA Euro 2012, fand die Truppe Einzug auf für Gypsy-Punk-Bands ungewohnte Spielfelder des Mainstreams. To boldly go where no gypsy has gone before.
Für ihren sechsten Longplayer schickt der lockere Haufen um Sänger Eugene Hutz Rick Rubin wieder zurück in die Wüste. Soll er sich wieder um Metallica, Red Hot Chili Peppers und Kid Rock kümmern. Beim neuen Produzent Andrew Scheps rückt das zunehmend ausgereifte Songwriting noch mehr als zuvor in den Vordergrund.
Sollte tatsächlich jemand vermuten, Gogol Bordello sei auf dem Weg der Schneid abhanden gekommen, belehrt ihn der Opener "We Rise Again" sogleich eines Besseren. Augenblicklich bläst dieser jeden Zweifel hinfort und vereint sämtliche Komponenten, die die Band mit "a fistful of a heart" ausmachen. Ein grandioser und lebensbejahender Beginn, der keine Grenzen kennt. Denn "Borders are scars on the face of the planet".
"Malandrino" trägt die Frucht von "Start Wearing Purple". Melancholie trifft auf Partylaune. Folk auf Samba, Punk und Humppa. "Lost Innocent World" verbindet dies mit den Disco-Congas aus Santa Esmeraldas "Don't Let Me Be Misunderstood"-Version.
Die Dringlichkeit des fulminanten Starts lässt sich nicht aufrecht erhalten. Spätestens mit dem schifferklavierverzierten Piraten-Shanty "It Is The Way You Name Your Ship" rudern die Mannen ein wenig zurück.
"I've seen the other side of a rainbow and it was black and white." "Rainbow" lässt den Folk noch mehr ins Rampenlicht treten. "Just Realized" taugt sicher nur wenig für die große Live-Sause, macht sich aber blendend als angenehme Untermalung für die Strandbar. Braune Burschen spülen am Strand auf selbstgemachten folkloristischen Instrumenten.
"Pura Vida Conspiracy" zelebriert, wie der Titel schon sagt, vom ersten bis zum letzten Moment das pure Leben. Dessen Chaos zeigt sich jedoch kontrolliert und musikalisch gewachsen. Leichte Einschläge in Richtung Massenkompatibilität stören aber nur wenig. Zwar macht der ein oder andere Track dadurch den Eindruck eines schrulligen ESC-Beitrages, aber dies lässt sich mit ein wenig Hochprozentigen schnell wegspülen. Denn noch immer brennt ein Feuer in Gogol Bordellos Herzen.
Noch keine Kommentare