laut.de-Kritik

Was für ein Sturm zwischen Gruft und Groove!

Review von

Light Asylum haben mit "Dark Allies" den schicksten Indie-Floorbreaker 2011 und die interessanteste Sängerin ihrer Generation am Start. Jetzt kommt endlich das ersehnte Debütalbum hinterher und begeistert restlos. Das Brooklyner Duo Shannon Funchess und Bruno Coviello entfacht auf schlanken zehn Tracks ein Feuer aus Funk, Goth'n'Wave, einer Prise Italodisco und rotziger Punkattitüde.

Liest sich auf dem Papier wie unentschlossenes Patchwork. Verschmilzt dennoch in ihren Händen zu einem Strauß erstaunlich homogener alternative Hits; nicht nur für ein Indiepublikum.

Es gibt nur sehr wenige Bands auf diesem Planeten, bei denen man den Eindruck hat, es mache bei der Produktion keinen so großen Unterschied, ob das Budget 10 Dollar oder 10 Millionen beträgt. Am Ende erhält man stets das ebenso typische wie eigenständige Gewand ihres unverwechselbaren Sounds. Vor allem die Vocals! Man kann und sollte den überirdischen Gesang ihrer schwarzen Charakterstimme kaum fassen. Nicht länger braucht man das nette Volumen eines Lagerfeld-Models hochzujazzen, deren ehemals innovativer NYC Sound zur Industrieleiche des heimischen Dudelfunk verkam. Die Pantherin Funchess hingegen knallt sie alle locker an die Wand wie lästige Brummer. Ab dafür!

Da sind nicht wenige Stellen auf der Platte (vgl. nur die Strophe von "Hour Fortress"), die man - oberflächlich gehört - fast für kunstliedhafte Überartikulation halten könnte. Im Gegenteil: Die gute Shannon nimmt sich hier sogar extrem zurück, um nicht von Beginn an ohne größere Mühe das ganze Haus in Schutt und Asche zu legen. Wer einmal eine ihrer auratisch gemeißelten Shows sah, weiß, von was für einer Urgewalt ich hier spreche. Alle anderen sollten sich dieses Wunder gönnen.

Schon hängt man ihr voreilig vom Big Apple bis nach Berlin den verlockend bequemen Grace Jones-Medienstempel an. Auf Charisma- und Energielevel sicherlich ein Kompliment. Künstlerisch ist Funchess jedoch deutlich weiter als die vor allem durch totale Persönlichkeit bestechende Ikone. Die Leuchtturmwärterin wechselt die tonale Grundierung dagegen nach Belieben; je nach dramaturgischem Erfordernis. Vom klirrenden Skalpell zur warm sedierenden Chanteuse in Sekunden.

Mit einer derartig androgynen Altstimme solch eine Koloratur hinzuschleudern, zeugt von fast außerirdischer Souveränität in Handwerk wie Ausstrahlung. Wer jedoch unbedingt einen Vergleich braucht, dem sei wärmstens die ebenso einzigartige Simona Buja von Kirlian Camera ans Herz gelegt (Anspieltipp: "Eclipse"; "Blue Room").

Neben so viel weiblicher Offensive geht Partner Coviello fast ein wenig unter. Doch das ist konzeptionell gewollt. Er lässt gern die Musik für sich sprechen. Bewaffnet mit oldschool analog Synthies sowie einer Dr Avalanche-artigen Drum Machine haut er Melodieschnipsel, Harmonien und Wahnsinn heraus, den das ungleiche Duo nur all zu gern als 'Italo Crush' bezeichnet.

Damit verpasst Coviello dem siechen Wavegenre einen heftigen Vitaminschock. Man hört gelegentlich funky Bauhaus-Inspirationen ("Kick In The Eye"). Frühe Ultravox stehen Pate ("Systems Of Romance"). Hier orientieren sich LA freilich an den Klanglandschaften des innovativen Bandgründers John Foxx ("This City") und ersichtlich nicht ein bisschen am luschigen Popschlagerstyle seines Nachfolgers Midge Ure. Gut gemacht!

Besonders deutlich zeigt sich Coviellos Talent in den catchy Themen wie etwa in "Heart Of Dust" oder Bridge/Chorus von "IPC". Schön eingebauter Kontrast, sobald Shannon ihre knüppelharte funky Agitationskompetenz der Marke Atari Teenage Riot/Rage Against The Machine zwischendrch auspackt. " Fuck em/ taking our freedom/ biting our hands/ no more, man! Nobodies Innocent no more!"

Doch am zwanglosesten ergänzen sich die beiden New Yorker Vollblutmusiker in der superben Single "Shallow Tears". Ein Ausnahmesong mit dem Zeug zum Klassiker. Als anmutige 'Thin Black Duchess' hypnotisiert Funchess, um im Synthie gezerrten Finale in wahrlich hypnotische Ekstase zu verfallen. Was für ein Sturm zwischen Gruft und Groove!

Trackliste

  1. 1. Hour Fortress
  2. 2. Pope Will Roll
  3. 3. IPC
  4. 4. Heart Of Dust
  5. 5. Sins Of The Flesh
  6. 6. Angel Tongue
  7. 7. Shallow Tears
  8. 8. At Will
  9. 9. End Of Days
  10. 10. A Certain Person

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