laut.de-Kritik

Rezension rewritten.

Review von

Maynard James Keenan kennt viele Leute. Das sieht man an den Remix-Alben von Puscifer, und das etwas unbeholfen benannte "Existential Reckoning: Rewired" bildet da keine Ausnahme. Vom Oscar-Edel-Duo Atticus Ross und Trent Reznor über Troy van Leeuwen und Tony Hajjar, einander durch Gone Is Gone verbunden, hin zu Phantogram bis zu Greg Edwards: Eine beachtliche Bandbreite an stilistischen Hintergründen und an Qualität, da beißt die Maus kein' Faden ab. Vor dem Hintergrund, dass der Hauptkritikpunkt an "Existential Reckoning" war, dass es eher gekonnt Stimmungen als konkrete Songideen vermittele, scheint die Spielwiese zum Remix-Austoben ausgebreitet.

"Bread and Circus (Re-Imagined By Mat Mitchell)" eröffnet den Reigen, und der Puscifer-Gitarrist macht das anfangs eigentlich ganz gut, nur wagt er sich im Verlauf des Songs nicht daran, Keenans Parts maßgeblich zu verändern oder in seine Goth-Club-Version einzubauen. Dadurch geht der rote Faden verloren, den wir auf "Apocalyptical (Re-Imagined By Trent Reznor & Atticus Ross)" wieder suchen. Die beiden haben weniger Respekt und behalten von "Apocalyptical" nur das Stärkste, nämlich das treibende Element. Sehr stompig und EBM, empfohlen mit hochwertigem Subwoofer zum Nachbarärgern. Juliette Commagere scheint die eigene Solokarriere ja leider aufgegeben zu haben, dem langweiligen Loungerock von "The Underwhelming" flößt sie auf "The Underwhelming (Re-Imagined By Juliette Commagere)" erfolgreich neues Leben und Tiefe ein. So wird aus einem der Schwachpunkte des Originals ein richtig guter Song.

Das in der Ursprungsversion ziellose "Grey Area" drehen die Goner auf "Grey Area (Re-Imagined By Troy Van Leeuwen & Tony Hajjar)" zwar soundtechnisch auf links, behalten den missglückten Aufbau aber; weiterhin ein reiner Filler. Sarah Jones und Jordan Fish machen ihren Berufen alle Ehre – Drums und Keyboard-Synths regieren das neue "Theorem (Re-Imagined By Sarah Jones & Jordan Fish)", das zu schnell vorübergeht. Sogar Tool ist vertreten, Justin Chancellor nimmt Scott Kirkland mit und macht aus "UPGrade (Re-Imagined By Justin Chancellor & Scott Kirkland)" einen Tool-Song ohne Gitarre. Der ist dann zumindest in der ersten Hälfte so gut, wie sich das anhört, danach stört Firlefanz.

NIN haben noch einen zweiten Auftritt: Der tolle Alessandro Cortini ist mit von der Partie, verunstaltet "Bullet Train To Iowa (Re-Imagined By Alessandro Cortini)" aber endgültig zur groben Songskizze. Vielleicht handwerklich spannend für den Künstler, der Hörer drückt weiter. Edwards mäandert auf "Personal Prometheus (Re-Imagined By Greg Edwards)" genauso uninspiriert wie die Vorlage, nur mit mehr Elektrogefrickel.

Bandmitglied Carina Round nutzt "A Singularity (Re-Imagined By Carina Round)" ebenso für wenig mehr als Gitarre durch Elektronik zu ersetzen. Trotzdem noch ein stellenweise mitreißender Track, aber ohne Remix-Mehrwert, der hier gerade aufgrund des gelungenen Ausgangsmaterials groß hätte sein können. Phantogram machen auf "Postulous (Re-Imagined By Phantogram)" ihr Ding, und da das wie üblich ein hervorragendes Ding ist, gerät die Instrumentierung des Songs spektakulär, nur wurden die wirren und nervigen Sprechgesangsfetzen belassen, die man zu allem Unglück auch noch versteht, weshalb die hanebüchene, arschfade Story des Albums durchscheint.

Gunnar Olsen zählt zu Keenans Kosmos aus fähigen Studio- und Live-Musikern, aus der seichten Erstversion kitzelt er auf "Fake Affront (Re-Imagined By Gunnar Olsen)" einige Meter mehr heraus und bereitet so den Boden für "Bedlamite (Re-Imagined By Daniel P. Carter)". Der macht den Closer etwas flotter und verpasst ihm dadurch einen 90-Alternative-Touch, der zumindest interessant ist. "Existential Reckoning: Rewired" ist insgesamt mehr als nur interessant: Es ist die deutlich überlegene Version. Mehr kann man von einem Remix-Album kaum verlangen.

Trackliste

  1. 1. Bread and Circus (Re-Imagined By Mat Mitchell)
  2. 2. Apocalyptical (Re-Imagined By Trent Reznor & Atticus Ross)
  3. 3. The Underwhelming (Re-Imagined By Juliette Commagere)
  4. 4. Grey Area (Re-Imagined By Troy Van Leeuwen & Tony Hajjar)
  5. 5. Theorem (Re-Imagined By Sarah Jones & Jordan Fish)
  6. 6. UPGrade (Re-Imagined By Justin Chancellor & Scott Kirkland)
  7. 7. Bullet Train To Iowa (Re-Imagined By Alessandro Cortini)
  8. 8. Personal Prometheus (Re-Imagined By Greg Edwards)
  9. 9. A Singularity (Re-Imagined By Carina Round)
  10. 10. Postulous (Re-Imagined By Phantogram)
  11. 11. Fake Affront (Re-Imagined By Gunnar Olsen)
  12. 12. Bedlamite (Re-Imagined By Daniel P. Carter)

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1 Kommentar

  • Vor 11 Monaten

    Fand das Ausgangsalbum auch ziemlich lahm (wobei ich's mir aber auch nicht besonders oft gegeben hab). Bei den Remixalben waren aber eigentlich immer ein paar gute Dinger dabei und die Rezi ist ja auch mild positiv (klingt aber nicht wirklich nach vier Sternen). Werde denke ich mal ein Ohr riskieren und schauen, ob da ein paar Songs für die Playlist bei rumkommen.