laut.de-Kritik
Gospel-Trap gegen die Pianobeats.
Review von Yannik GölzDer Song "Quiet Storm" beginnt mit einem Skit, in dem eine Frau einen Radio-DJ anruft, um zu monieren, dass das ganze Boom-Boom-Gerappe die Frauen auch mal langweile. Ob er nicht mal etwas Smoothes spielen könne? Damit ist der immense kommerzielle Appeal von Rod Wave auch schon umrissen. Er ist dieses kleine, süße Herzblatt aus Florida, von einer Gospelchor-Jugend direkt in die Rapstar-Tourbusse gesetzt. Sein Soul-Trap ist erwachsen und real, aber unbedrohlicher als andere Pain-Rapper – und seine Stimme so stark und nahe an den alten Blues-Meistern, dass sie selbst ein sonst sterbenslangweiliges Album irgendwie trägt.
Musikalisch, besonders instrumental hat "Beautiful Mind" nahezu überhaupt nichts zu bieten. Wer sich schon bei einem Polo G oder einem Lil Durk beschwert, dass sie wirklich immer wieder die gleichen Piano-Loops herauspicken, der steht in den 24 Songs hier seinem Endboss gegenüber. Dass auf "Stones Rolling", "Forever" oder "Time Kills (Love Birds)" mal eine Gitarre auftritt, ist alles, was Rod Wave an Farbenfreude zu bieten hat. Das Ding an ihm ist: Ähnlich wie YoungBoy Never Broke Again lebt er in einem musikalisch relativ isolierten Ökosystem, er fristet ein Single-Artist-Dasein mit seinen eingeschworenen Fans, die aber auch eine sehr klare Formel von ihm erwarten.
Und diese Formel dürstet nach Klavier. Für jemand, der stimmlich so gekonnt Gospel und den Blues evoziert, fehlt es gänzlich an fantasievollen Produzenten. Sein Rudel an mehr oder weniger anonymen Drittligisten am Beat gelingt zwar ab und zu ein atmosphärischer Melodielauf, aber spätestens wenn es in Richtung Songstruktur oder Percussion geht, hebt sich kaum etwas über das Funktionale hinaus. Es funktioniert, ja, wenn man es hört, klingt kein Song auf dieser Platte schlecht. Aber man muss sich schon sehr nach Comfort Food sehnen, damit eine Stunde davon nicht erschlagend wirkt.
Der Grund, dass das alles überhaupt der Rede wert ist, ist Rod Wave selbst, der als Stimme in diesem Rap-Zirkus extrem heraussticht. Er ist kein Kurator, er ist nicht einmal ein Texter – schon bei der Hälfte hat er die Idee schon komplett totgeritten, Träume zu verwirklichen und man hat schon exzessiv auf seine Errungenschaften zurückgesehen – aber verdammt, wenn er sein Organ reumütig und sehnsuchtsvoll gen Himmel aufreckt, dann entfaltet sich doch eine Magie, die seine Peers so nicht haben. Rod Wave ist ein fantastischer Sänger. Nicht handwerklich, man merkt, dass er das Singen nicht methodisch gelernt hat. Aber alles, was seine eindimensionalen Texte nicht erzählen können, kommuniziert er nonverbal. Zum Beispiel tönt der Refrain auf "all alone on my darkest nights / Tryna make it through my hardest times / Wherever you are tonight / I hope you know you'll have my heart for life / Forever and ever and ever". Das ist kein beachtliches Schreiben. Aber er verkauft es mit Leib und Seele. Vielleicht ist diese emotional überkandidelte Ehrlichkeit und Naivität auch Teil des Charmes.
Rapper, die zu seinem Sound vergleichbar wären wie Polo, Durk oder Youngboy inszenieren sich alle als viel aktiverer Teil ihrer Geschichte. Sie erleben Gewalt, aber können sich wehren. Rod Wave hatte immer die Zerbrechlichkeit eines passiven Beobachters an sich. Sei es in Beziehungen oder im Leben der Straße, in Bezug auf seinen Vater oder seine Mutter: Die Verletzlichkeit, die keinen Anspruch auf Gegengewalt erhebt, macht ihn besonders. Und vielleicht braucht er deshalb auch diesen etwas klischeehaften Sound, der jetzt gerade synonym mit schwarzem Trauma in den USA wird, um seine Gospel-Inbrunst wie eine Friedenstaube aufsteigen zu lassen.
Kommen dann im letzten Drittel mit Songs wie "Married Next Year", "Me Vs The World" und dem beeindruckenden "Cold December" noch einmal ein paar Treffer zusammen, versteht man den Fall recht gut: Rod Wave könnte einer der ganz Großen zur Zeit sein. Emotionalität, Charisma und Stimme schlagen vieles. Aber seine Formel funktioniert so gut, dass seine Fans kaum etwas darüber hinaus von ihm einfordern würden. Fürs erste hat er angekündigt, "Beautiful Mind" wäre sein letztes richtig trauriges Album. Man will hoffen dass, was auch immer danach kommen wird, ein paar mehr Risiken wagen wird.
1 Kommentar
Schwierig. Ich mag die Art und Weise wie der Mann singt, und diese Gesang über Rap Beats ist sowieso ein Sweetspot von mir.
Aber bei den Album lassen sich die Lieder kaum auseinanderhalten.
Was dadurch noch verstärkt wird, dass das Ding so hundsmiserabel gemixt wurde, dass man fast nur die Stimme und die Bassdrum hört.