laut.de-Kritik
Zwischen ranziger Oldschool und halbherziger Erweiterung.
Review von Ulf KubankeWenn man Freunde des Postpunk nach den Stranglers fragt, ist das Echo stets dasselbe: Man erinnert sich an die herrlich knochigen "No More Heroes"-Anfänge bis hin zum eleganten Superpop der "Always The Sun"-Ära. Das hängt maßgeblich am schmuddelig smarten Charisma des Frontmans Hugh Cornwall.
Doch 'Mr Golden Brown' verließ das mittlerweile fast vergessene Geisterschiff bereits, als Deutschland sich 1990 zur Wiedervereinigung anschickte. Seitdem tendiert der Wiedererkennungswert der Briten bedauerlicherweise mehr und mehr gen Null. Mehr tot als lebendig.
Um es vorweg zu nehmen: Sänger Baz Wayne kann das Ruder auf "Giants" leider nicht entscheidend herum reißen. Auch nicht mit der Unterstützung von Bandboss J.J. Burnel. Ohne jede handwerkliche Bandbreite in der Range schummelt sich das ehemalige Toy Doll-Mitglied einmal mehr mit uncharismatischem Sprechgesang ("Giants") oder dramaturgisch abenteuerlicher Phrasierung ("Freedom Is Insane") durch diese leidlich rockende Schnarchplatte.
Von etwas wie Aura oder Ausstrahlung sind die pseudodüster gedimmten Vocals ohnehin Lichtjahre entfernt. Der Hörer hat entsprechend die wenig verlockende Wahl zwischen Wachkoma oder Ärgernis.
Ein solcher Kontrast zum blitzsauber gespielten 80er Waverock der Rumpfmannschaft macht dem Hörer verständlicherweise eher wenig Spaß. Ein Schelm, der hierin auch den Grund dafür vermutet, den Longplayer mit einem Instrumentaltrack wie "Another Camden Afternoon" zu beginnen. Doch auch dieser gemächliche Midtempo-Opener holt für Stranglers-Verhältnisse kaum einen Rockhund hinter dem Wave-Ofen hervor. Ziellos dahin gejamt wie seichte Proberaumsessions in der feierabendlichen Provinz. Ein wenig groovy, aber leider vollkommen zahnlos.
Freilich: Die typischen Zutaten vom Gitarrensound bis hin zu den charakteristisch flirrenden Synthielinien wird der Die Hard-Fan sicherlich goutieren. Auch findet sich mit "My Fiddle Resolve" ein nicht uninteressanter Song in leicht angejazzter Verpackung. Drummer Jet lotet hier nicht uncharmant seine pre Stranglers Vergangenheit aus. Doch insgesamt rauscht das Album eher wie eine B-Seitensammlung an den Ohren vorbei, gefangen zwischen ranziger Oldschool und halbherziger Erweiterung.
Wer um die Band keine "96 Tears" weinen möchte, sollte im Zweifel besser die alten Scheiben samt stimmig-räudiger Hinterhofchemie aus dem Regal kramen. Dieser Gigant jedenfalls ist allerhöchstens ein Riese im Tiefschlaf.
2 Kommentare
Da ich dank meines nicht ganz so hohen Alters weder die
"No More Heroes"-Anfänge noch die "Always The Sun"-Ära
Miterlebt hab, kann ich dem Album recht unvoreingenommen entgegentreten.
Mir gefällt es ausgesprochen gut.
Auch die Kritik an den Sänger kann ich nicht ganz nachvollziehen.
Die aktuelle Platte ist sicher nicht der Höhepunkt im Schaffen der Stranglers. Wer jedoch ihre Entwicklung in den letzten 20 Jahren verschlafen hat und weder den Namen des Sängers noch Songtitel korrekt wiedergeben kann, sollte das Album nicht besprechen. Die Rezension ist weitaus schnarchiger als das abwechslungsreiche, solide Album selbst.