laut.de-Kritik
An Intensität, Leidenschaft und Spielfreude nicht zu toppen.
Review von Andreas Dittmann"You were built for blessing but you only make them bleed, but you don't care." Die ersten Worte, die Thrice-Fronter Dustin Kensrue herausbrüllt, schlagen einem mit einer Wucht ins Gesicht, die höchstens noch vom messerscharfen Riff übertroffen wird. Mit derselben Kraft und Stärke fegt das komplette, achte Studioalbum der Band über einen herein. "Major/Minor" kracht, scheppert, zerbricht, steht wieder auf und reckt dabei trotzig die Fäuste in die Luft.
Damit toppen sich Thrice mal wieder selbst. Was die vier Herren an Intensität, Leidenschaft und Spielfreude an den Tag legen, ist wirklich beeindruckend und übertrifft sogar alle bisherigen (ebenfalls grandiosen) Alben. Mit "Major/Minor" geben sie dem angestaubten Genre Postcore einen äußerst erfreulichen Tritt in Richtung Alternative und Grunge.
Vor allem die Rhythmus-Sektion um die Reckenbridge-Brüder Ed und Riley hat es meterdick hinter den Ohren. Die beiden haben den Groove höchstpersönlich im Blut - selbst die härteste Stelle kommt verdammt smooth und entspannt rüber. So klingt also perfekte Bass/Drum-Zusammenarbeit. Da wummst und dröhnt es an jeder Ecke.
Alles andere als entspannt wirkt dagegen Dustin. Der Sänger leidet, er schluchzt, schreit und singt sich seine Gedanken aus der Seele. Dabei geraten seine Melodien teilweise richtiggehend süß und poppig. Sein kratziger Gesang, dem man die Hardcore-Vergangenheit deutlich anhört, lässt aber keinerlei Gedanken an pathostriefendes Pop-Gedudel zu.
Wie schon bei "Beggars" verlassen sich Thrice nahezu komplett auf die klassische Rock-Besetzung. Allerdings geht es wesentlich ruppiger und härter als auf dem ruhigen Vorgänger zu. Nur in wenigen Ausnahmen ("Listen Through Me", "Words In The Water") kommen einzelne Klaviernoten oder eher sphärische Klänge zur Geltung. Ansonsten dominiert wildes Geknüppel, charmante Grooves oder sanftes Geklimper. Große Experimente wie beim "Alchemy Index" oder "Vheissu" findet man nicht. Macht aber rein gar nichts.
Beim Refrain zu "Cataracts" sieht man die Herren schon im Stadion stehen, so bombastisch und offen ist der Sound. Im Vers stiehlt sich der Song aber wieder in den kleinen Club um die Ecke und lässt ein fettes Riff-Monster für sich sprechen.
"Call It In The Air" schleicht dagegen angetrieben von den Snare-Schlägen der Drums am Boden herum, hebt dann aber mit voller Gewalt ab, kreist majestätisch umher, nur um kurze Zeit später wieder sanft zu landen. Was für eine Intensität.
Thrice haben ihren speziellen Blick für jeden Song geschärft. Hinter jedem Takt wartet eine neue Gitarren-Linie, eine sanfte, leise Stelle oder ein abruptes Brett. Wer Thrice kennt, weiß auch um Teppei Teranishis hervorragende Gitarren-Arbeit. Da entstehen am laufenden Band schwingende Melodien und derbe Riffs. Kopfkino pur!
In den Texten spricht Dustin immer wieder seinen christlichen Glauben an. Sei es bei "Disarmed", wenn er über die Niederlage des Todes oder bei "Listen Through Me" über die Bedeutung der Kreuzigung Jesu singt. Seine deutliche Sprache beweist Mut. Werden doch Alternative-Rockbands mit christlicher Botschaft vom gemeinen Musikhörer meist geschmäht. Hoffentlich passiert das nicht mit Thrice. Vor allem nicht jetzt.
Denn "Major/Minor" ist wohl eines der kreativsten und erfrischendsten Alben des Jahres. Vor allem markiert es (mal wieder) den Höhepunkt ihrer Diskografie.
10 Kommentare
yiep, absolutes brett. erinnert mich auch von den gitarren her an 90er alt rock und quicksand.
gut, vielleicht hätte ich das review vorher mal lesen sollen, aber gut dass ich nicht der einzige bin, der sich an die 90er erinnert fühlt.
Wirklich großartiges Album, neben Elsie von den Horrible Crowes mein Highlight des Jahres bisher. Vor allem "Blinded", das im Review meiner Meinung nach zu unrecht nicht erwähnt wurde, ist der absolute Höhepunkt und läuft bei mir in der Dauerschleife.
Klar, meine Aussage war auch nicht wirklich ernst gemeint/ aus der Sicht eines von dem Album Begeisterten.
Boah jetz weiß ich was ich vermisst habe. Thrice sind so beständig - unbeständig ohne dabei ansatzweise den Focus der musikalischen Brilianz zu verlieren. Textlich sowieso immer Messerscharf!
unglaublich das album, und so druckvoll waren die seit artist in the ambulance nicht mehr (was nicht heißen soll, dass die sachen dazwischen nicht auch großartig waren), absolut 5/5