laut.de-Kritik
Berauschende, elektronische Romantik.
Review von Anthony Cerezo"Ich mag die Idee, dass bizarre, halb zufällige Dinge zusammengewürfelt werden." heißt es von Tiga zum Projekt Love Minus Zero, das er gemeinsam mit Hudson Mohawke zum Leben erweckt hat. "Ich bringe Dinge mit und er bringt Dinge mit, und diese Dinge passen normalerweise nicht zusammen. Es gibt eine seltsame Paar-Dynamik bei uns, aber das ist der beste Teil davon." Das Duo schloss sich für die Produktion des Albums "L'Ecstasy" zusammen, das im Zeitraum von 2019 bis 2023 entstand. Diese Zusammenarbeit war jedoch nicht gänzlich neu, da sie bereits vor der Bildung von Love Minus Zero gemeinsam DJ-Sets aufgelegt hatten.
Tiga ist ein etablierter Soundtüftler aus Montreal, dessen letztes Soloalbum - neben Kollaborationen mit Soulwax oder Kölsch - mittlerweile acht Jahre zurückliegt. Mohawke hat sich neben seinem Turntablist-Dasein auch als einer der gefragtesten Produzenten im Pop- und Rapbusiness einen Namen gemacht, viel für Kanye West, aber auch für Drake oder Lil Wayne produziert und mitgewirkt hat, von Yeezus bis Utopia. Erst dieses Jahr bekam Mohawkes Song "Cbat" aus 2011 einen erneuten Aufschwung als viralen Internet-Sound.
Auf "L'Ecstasy", dessen Cover übrigens vom selben Fotografen stammt, der auch schon Frank Oceans Kultalbum "Blonde" fotografiert hat, kreiert das Duo eine stimmungsvolle und abwechslungsreiche Klangwelt, die zwischen Techno, Hardcore Rave und Aphex Twin-ähnlichem IDM-Ambiente changiert, wobei auch mal sanftere und verspieltere Töne für Luft zwischen den stampfenden Techno-Tracks sorgen. Eine nächtlich angehauchte Atmosphäre, verträumte Synthies und eine pfeifende Melodie begleiten uns zu Beginn von "TR Smooth". Retro-Einflüsse und hallende Vocals kommen bei "Night Is Not" auf, die Drums sind schnell und rhythmisch, aber nie zu tief und brachial.
"VSOD" ist ein gemütlicher, rasselnder House-Track mit nie langweiligen Twists und den Vocals von Sängerin Abra, die dem gefühlvollen Treiben Leben einhauchen. Vocals kommen auf dem Album immer wieder vor, Channel Tres verleiht dem minimalistisch-rhythmischen Trance-House "Feel The Rush" seine Vocals. Auf "Silence Of Love" driftet die Stimme von Jesse Boykins durch den Acid-House-Track und verleiht den treibenden Synthies und robusten Percussions eine gefühlvolle Brise. Das Synthie-Pop-Stück "In Order 2" hat einen hypnotischen Gesang von Tiga selbst, und selbst der fiepende Techno des Rave-Tracks "Ascending Into The Clouds" bekommt durch die Stimme von Elisabeth Troy leicht sanftere Töne.
"L'Ecstasy" vereint mechanische und roboterhafte Klänge mit betörenden, emotionalen Tönen. Ein tranceähnlicher Übergang zwischen Melancholie und ekstatischem Glück prägt die mystische Atmosphäre der elektronischen Romantik, die das Album durchdringt. Jeder Track hat seinen eigenen Groove und Rhythmus, aber nicht alle reißen mit. Abwechslung gibt es aber genug, so dass man auch ohne mitgerissen zu werden besondere Momente erlebt.
Zum Beispiel auf "Winter Crush", wenn sanfte Töne auf tiefe Synthies treffen, die mit jedem Wechsel eine neue Tiefe hinzufügen, um dann wieder zu verschwinden und luftigen Vibrationen Platz zu machen. Oder das lächerlich gute Saxophon-Solo-Outro auf "In Order 2". (Elektronische) Romantik muss man nicht immer selbst erleben, sie weckt auch beim Beobachter Gefühle.
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