laut.de-Kritik

Patchwork und Peinlichkeiten: This is gothic Spinal Tap!

Review von

Mozart, der Ed Wood des deutschen Gothics, schlägt wieder zu. Der sympathische Erotomane ist ein echtes Original und liefert mit seiner neuen Scheibe nicht nur Studioalbum Nummer 13 ab, sondern auch die konzeptionell angelegte Begleitmusik zur selbstverfassten gleichnamigen Vampir-Novelle.

Die gebotenen Songs fallen leider weit weniger originell aus. Zwischen Patchwork und Peinlichkeiten aus der schwarz lackierten Grabbelkiste versenken Umbra Et Imago ihre Kunst im Klischee. This is gothic Spinal Tap!

Letzteres ist keine Übertreibung, sondern harsche Realität. Wer die Platte ohne Vorwarnung oder Hintergrundinformation als musikalisches Blind Date hörte, würde die dreizehn Songs für eine zutiefst satirische Parodie all dessen halten, das echte Gothic-Kultur von Bauhaus bis Alien Sex Fiend an Errungenschaften zu bieten hat. Dennoch meinen Umbra Et Imago jede Note und jedes Wort ernst. Sehr komisch, aber leider nicht freiwillig!

"Ich träum' so oft von Kunst und Kultur", brummt Mozart im "Radiosong", dem einzig gelungenen, drastisch-humorvollen Highlight des Albums. Nicht träumen, Alter. Machen! Ein Anfang wäre der taugliche Versuch, ein paar eigenständige Elemente mit ins Programm zu nehmen. Doch weit gefehlt: Nahezu jedes Versatzstück kennt man als Trademark von anderen Bands. Einzige Ausnahme macht das schnucklige Didgeridoo als gelegentlicher Gaststar.

Ansonsten hagelt es Zitate ohne Ende. "Doomsday" etwa plagiiert typische KMFDM-Gitarren. Wer zum Vergleich deren "Light" vom Kultalbum "Angst" aus dem Jahr 1993 antestet, erkennt die Ähnlichkeit sofort. "Gimme Nothing" schnappt sich mehr als einen Hauch Sisters Of Mercy. Mozarts Vocals klingen durchweg mehr denn je nach totaler Lindemannisierung. Als ob uns das schlimme Rammstein-Ripping von Unheilig nicht schon quer genug im Magen läge.

Lustvoll klauben Umbra Et Imago all diese alten Knochen vom Wegesrand, vernähen die Leichenteile und degradieren sich damit selbst von Unikat zum Homunculus. Vielleicht hätten sie doch lieber einen Frankenstein-Roman schreiben sollen, statt einer Blutsaugerstory.

Dem haben die Lieder musikalisch nichts entgegen zu setzen. Aufgebläht und nichtssagend wie eine Wasserleiche schwappt das wulstige "Viva Vulva" aus den Boxen. Das klingt mehr nach Vaginalpilz als nach sexy Erotik. Ein Anspielt(r)ipp des Grauens für alle mutigen und schmerzfreien Hörer!

Um das Versagen konsequent zu halten, gibt es ebenso grobe Schnitzer bei den schauderösen Texten. Im Kernstück "Requiem Der Nephilim" verkündet Mozart in stolzem Brustton: "Wisst ihr denn nicht wer ich bin? Ich bin auf ewig ein Nephilim!" Nein, sorry, bist du nicht. Nephilim ist Plural und bezeichnet in der hebräischen Mythologie Bastarde von Gotteswesen und Sterblichen. Die Einzahl lautet Naphil oder Nephil. Vielleicht sollte der gute Mozart seine Novelle doch noch einmal überarbeiten.

Auch sonst strotzen die Zeilen nur so vor holprig gebrachten Stereotypen. "Tief in meinen Augen ist alles abgebrannt /(...) Tief in meinen Augen keine Hoffnung und ich leide." Sicher leidet er nicht so sehr wie die gezupfte Gitarre, deren schöne Melancholie im Kitsch komplett untergeht und das lahme Lied auch nicht mehr rettet.

Spätestens beim blutarmen "Wiegenlied Eines Vampirchens", das unbeleckt von Melodie oder gar Spannung vollkommen langweilig vor sich hinleiert, möchte man selbst ins Koma fallen und erst wieder erwachen, wenn die CD längst zu Ende ist. "Ich kann es heilen, dein Herz." Lass' mal stecken, kannst du nicht.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Die Unsterblichen
  3. 3. Gimme Nothing
  4. 4. Der Liebe Geweiht
  5. 5. Viva Vulva
  6. 6. Get Off
  7. 7. Sex Vampire
  8. 8. Radiosong
  9. 9. Wiegenlied Eines Vampirchens
  10. 10. Tief In Den Augen
  11. 11. Requiem Der Nephilim
  12. 12. Doomsday
  13. 13. Seelen-Maler
  14. 14. Libretto

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9 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Absolut peinliche Kasepertruppe, schon immer gewesen; aber ich will nicht wissen, wie viele Bräute Mozart schon penetriert hat.

  • Vor 9 Jahren

    Tja, die dunkle Szenemusik ist gefühlt irgendwo so Mitte der 90er stecken geblieben und hat sich, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, bis heute nicht einen Deut weiterentwickelt. Das beweist diese Platte und das zeigt sich auch an den Festivalplakaten von Mera Luna und Co. Die Headliner sind immer noch die Gleichen wie vor 25 Jahren. Etwas entscheidend Neues, Bahnbrechendes hat die Szene in der Zeit nicht hervorgebracht.

    Ich lasse mich allerdings gerne vom Gegenteil überzeugen.

    • Vor 9 Jahren

      Bei Rock am Ring/Im Park sinds auch immer die selben :-/

    • Vor 9 Jahren

      Kommt halt drauf an, wie eng man die Szene fasst. Gerade elektronisch hat sich schon ne Menge getan, finde ich. Genregrenzen verfliessen auch zunehmend, Angerfist oder iVardensphere z.B. hätte man anno bums sicher nicht in derselben Veranstaltung gespielt wie SoM oder Depeche Mode, heute ist das nun wirklich nicht unüblich in der schwarzen Szene. Das gefällt nur vielen alten Hasen (oder Fledermäusen) nicht und wird von eben jenen deshalb als "das ist nicht gothic!" disqualifiziert (ganz allgemeine Feststellung, nicht auf GQ gemünzt). Das ist aber ja genreübergreifend so, von den Oldtruern des Metal wird ja z.B. der Metalcore auch nicht akzeptiert. Aber ist schon richtig, Stile wie Dark Wave, NDT, Neofolk, Ethereal, Gothic Rock hatten ihren Zenit halt allesamt in den 80ern und 90ern, seitdem wird in dieser Richtung vielfach nur noch reproduziert.

  • Vor 9 Jahren

    Kommt halt drauf an, wie eng man die Szene fasst. Gerade elektronisch hat sich schon ne Menge getan, finde ich. Genregrenzen verfliessen auch zunehmend, Angerfist oder iVardensphere z.B. hätte man anno bums sicher nicht in derselben Veranstaltung gespielt wie SoM oder Depeche Mode, heute ist das nun wirklich nicht unüblich in der schwarzen Szene. Das gefällt nur vielen alten Hasen (oder Fledermäusen) nicht und wird von eben jenen deshalb als "das ist nicht gothic!" disqualifiziert (ganz allgemeine Feststellung, nicht auf GQ gemünzt). Das ist aber ja genreübergreifend so, von den Oldtruern des Metal wird ja z.B. der Metalcore auch nicht akzeptiert. Aber ist schon richtig, Stile wie Dark Wave, NDT, Neofolk, Ethereal, Gothic Rock hatten ihren Zenit halt allesamt in den 80ern und 90ern, seitdem wird in dieser Richtung vielfach nur noch reproduziert.