laut.de-Kritik
Zerbrechlich vertonte, zum Sterben schöne Traurigkeit.
Review von Dominik KautzSpätestens mit ihrem 2016er Meisterwerk "Nucleus" erspielten sich Witchcraft einen unangefochtenen Kultstatus in der Doom, Stoner, Okkult und Classic Rock-Szene. International hagelte es für die Schweden Lobeshymnen höchster Güteklasse. Nach diesem Paukenschlag erscheint das mittlerweile sechste Album "Black Metal" gleich aus zweierlei Sicht etwas merkwürdig.
Obwohl die Platte unter dem Banner Witchcraft läuft, musiziert Bandchef und einzig konstantes Mitglied Magnus Pelander hier vollständig alleine mit seiner Akustikgitarre. Auch hat die Platte rein gar nichts mit Black Metal zu tun. Stattdessen gibt es melancholische, äußerst zerbrechlich vertonte Singer/Songwriter-Folksongs, die, immer mit Pelanders typischer Handschrift, irgendwo zwischen Leonard Cohen, Nick Drakes "Pink Moon" und Frees Hit "Mourning Sad Morning" pendeln.
Der zutiefst freudlose und traurige Opener "Elegantly Expressed Depression" klingt exakt so, wie es der Titel des Songs verspricht. Worte wie "I reek of death from inside my soul" zeigen in aller Deutlichkeit die trostlose Richtung des Albums auf. Alles auf "Black Metal" dreht sich um die Vertonung bodenloser Depressionen, aus denen es keinen Ausweg zu geben scheint. Pelanders fragil sonore Stimme und die extrem reduzierte Gitarrenbegleitung üben dabei mit seltsamer Schönheit eine Faszination aus, die den Hörer sofort in Beschlag nimmt.
Trotz gewisser Ähnlichkeiten der Gesangsmelodie zu jener des Titeltracks von "Nucleus" erinnert das hier präsentierte Klangkolorit am ehesten an seine ebenfalls 2016 veröffentlichte Soloplatte "Time" – nur eben ohne jegliche Begleitung. In gewisser Weise betreibt der Schwede auf "Black Metal" ein Spiel mit der Imagination, da man sich die skelettartigen skizzenhaften Tracks trotz seines Auftretens als Solokünstler zu jeder Zeit als reguläre Witchcraft-Nummern ausmalen kann. Der Demo-Charakter der Aufnahmen trägt dem zusätzlich bei. Hier und da hört man unsauber gegriffene Töne, das Timing stimmt nicht immer perfekt und auch die Stimme übersteuert manchmal leicht.
Das kurze, etwas träge "A Boy And A Girl" handelt von einem Menschen, dessen Aussehen auf den ersten Blick keinen Rückschluss auf klar abgegrenzte Geschlechterzugehörigkeit erlaubt. Ob hier möglicherweise Janis Joplins prägendes Jugendmartyrium der diskriminierenden Wahl zum "hässlichsten Mann des Campus" als Quell der Inspiration diente, wird wohl Pelanders Geheimnis bleiben.
So traumhaft hoffnungslos wie in der morbid schönen Wehklage "Sad People" klingt der Barde auf "Black Metal" kein zweites Mal mehr. Als wolle er die bleierne Unendlichkeit jahrelanger hoffnungsloser Seelenpein lautmalerisch vertonen, schraubt er das Tempo maximal herunter. Eindringlich gesetzte Momente der Stille und Pelanders bewegende Stimme vertiefen diesen dynamischen Effekt zusätzlich wirkungsvoll. Nicht zuletzt aufgrund des zarten Widerhalls mittelalterlicher Lautenklänge schafft er mit "Sad People" sein ganz persönliches "Lamento Di Tristan". Ein Downer, zum Sterben schön. Großartig!
Der desolate, etwas flottere Achtminüter "Grow" überzeugt ebenfalls, erreicht aber nicht ansatzweise die emotionale Tiefe von "Sad People". Hier wäre mit einem geschickt gesetzten Spannungsbogen deutlich mehr möglich gewesen. Wissend um die niederschmetternde und vernichtende Aura seiner bisherigen Worte versprüht Pelander aber auch einen Funken belebender Hoffnung. "I know you are probably tired of listening to my requiem / but sadness has a way to give way to happiness", singt er mit brüchiger Stimme in "Free Country" über einem Zupfmuster, das stark an Neil Young erinnert.
Zum Ende hin wirkt das Kompositionsprinzip der Platte dann doch recht ermüdend, da Pelander nichts wesentlich Neues mehr liefert. Zwar hält er die Qualität und punktet vor allem erneut mit seiner Stimme, doch fehlt es weitgehend an spannenden, fesselnden Momenten. Daran ändern auch die überraschenden Klaviertupfer in "Sad Dog" sowie die folkig-bluesigen Fingerstyle-Einschübe im John Renbourn- und Bert Jansch-Stil (Pentangle) des finalen "Take Him Away" nichts.
Zwar schimmert die musikalische DNA von Witchcraft im Verlauf der 30 Minuten Spieldauer auf "Black Metal" immer wieder durch. Im Großen und Ganzen aber setzt Pelander hier auf ein One Trick Pony. Darin liegt sowohl die Stärke als auch die Schwäche der Platte. Dadurch, dass er die Songs ohne Band alleine und lediglich mit einer Akustikgitarre einspielt, erreicht er eine ungeahnte dynamische Tiefe und Natürlichkeit. Gleichzeitig jedoch entkernt er die Tracks so sehr, dass er im Verlauf insgesamt etwas zu wenig Abwechslung liefert.
Dass er die Platte unter dem Banner von Witchcraft veröffentlicht und nicht als weiteres Soloalbum, dürfte einige Fans sicherlich in die Irre führen. Nichtsdestotrotz besticht Pelander mit einer bittersüß warmen Gesamtatmosphäre, die so wohl nur er liefern kann.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Rezi fasst Stärken und Schwächen des Albums perfekt zusammen und ich finde die 3/5 völlig nachvollziehbar. Kann man sich zwar sehr gut geben, ermüded aber leider nach 3 oder 4 Tracks schon ein wenig.. Ist dann doch kein zweites Pink Moon geworden . Im direkten Vergleich mit Nucleus sicherlich ne kleine Enttäuschung, andererseits auch besser als nichts... Ich hoffe, dass er für die nächste Platte wieder ne volle Band auffahren wird.
Für ein zweites Pink Moon check mal Jonathan Hulténs Solodebüt "Chants From Another Place". Kommt wesentlich näher ran als Pelanders imho ziemlich belangloses Gezupfe.
Danke für den Tipp, werd ich reinhören.
hört sich an wie f the Wand & the Moon: