laut.de-Kritik
Skandinavische Sentimentalität at its best.
Review von Martin LeuteDas Coverartwork als Fingerzeig: Achtung, Musik mit hohem Sentimentalitätsfaktor. Ane Bruns erstarrter Blick mutet merkwürdig an, aus ihrem Körper scheint ihr geisterhaftes Alter Ego, ihre Seele oder Vergleichbares aufzusteigen. Ähnlich mystisch gestaltet sich die Musik der in Schweden lebenden Norwegerin.
Präsentiert die Singer/Songwriterin mit dem Opener "The Treehouse Song" noch einen Countryfolk-Song, dessen Refrain an Dolly Partons "9 To 5" adaptiert, entwirft sie anschließend einen Kosmos aus Folk und Kammerpop. Das vorwiegend akustische Instrumentarium erschafft das Ambiente für die Themen Liebesleid, Traurigkeit und Verlust. Aber sie fällt nicht. Vielmehr entlockt sie ihrem Kummer ebenso die Erinnerung an die erfüllten Momente.
Im Zentrum steht Bruns außergewöhnlicher Gesang, dessen brüchige Klangfarbe zwischen Anais Mitchell, Joan Baez und Shara Worden von My Brightest Diamond pendelt. Die gezupfte Gitarre strukturiert das traurige "The Fall", behutsam gesellen sich Piano, weiche Percussions und Streicher hinzu, "The Puzzle" gefällt mit schwebendem Marimbaspiel und der plötzlichen Wendung zum dynamisch vorgetragenen Refrain.
Bei aller Unaufdringlichkeit legt Ane Brun immer wieder ein wunderbares Gespür für einnehmende Melodien und spannungsreiche Inszenierungen an den Tag. Den dezenten Hang zur Melodramatik nimmt man da gerne in Kauf, die Melancholie sowieso.
Effektvoll untermalt ein gespenstischer Backgroundchor und ein Glockenspiel das famose "Ten Seconds", das sich instrumental zuspitzt, bis klar ist, dass der Geliebte nicht wiederkommen wird. Anrührend klagt sie in "Changing Of The Seasons" zur perlenden Akustischen und sanften Keyboardflächen: "He falls asleep on her chest, the best sleep he'd ever had / Nevertheless he dreams of some stranger's caress". So ist das.
Während das Arrangement in "Lullaby For Grown-Ups" an Nick Drake erinnert, kreist sie mit dem hoffnungsfrohen "Armour" zum Piano im weichen Walzertakt und präsentiert mit "Gillian" eine schöne Ode an Gillian Welch, in deren Musik sie einst Trost gefunden hat. Ein Hauch von R'n'B umweht "Round Table Conferences", ehe die Pianoballade "Linger With Pleasure" das Album abschließt.
In Skandinavien ist Ane Brun bereits ein Star. Mit diesen fein arrangierten Songs sollte sie auch hierzulande Freunde gewinnen. Schließlich sind auch Anna Ternheim oder Sophie Zelmani etablierte Größen, und Ane Brun mit ist "Changing Of The Seasons" eine schöne Ergänzung zu genannten Musikerinnen.
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