2. April 2017
"Bald wird die nächste Sau durchs Dorf gejagt!"
Interview geführt von Kilian SteinhartDer Pop ist tot oder was? Zeit nachzuhaken. Im Backstage stellt sich der Vierer den wirklich wichtigen Fragen.
Ihr Bandlogo ist ein Smiley mit geradem Mund, Monotonie auf den Punkt gebracht. Ihr episches Werk "Pop & Tod I+II", das im Sommer 2016 erscheint, erfordert Geduld, Auseinandersetzung und Arbeit. Im Februar 2017 spielen Die Heiterkeit, Sängerin Stella Sommer, Bassistin Hanitra Wagner, Schlagzeuger Philipp Wulf und am Synthesizer Sonja Deffner, im Konstanzer Kulturladen. Ich bin voreingenommen, aus 20 Minuten werden 40 und die Band empfängt mit Zigaretten, Bier und Gelassenheit.
Wer ist für euer Logo verantwortlich?
Stella: Als wir die Band 2010 gründeten, haben wir darüber geredet, dass es ganz lustig wäre, den Smiley mit dem geraden Mund als Bandlogo zu benutzen, dann hat Stephanie, das an ihrem Computer gemacht, die erste Schlagzeugerin.
Philipp: Ich bin eigentlich nur eingestiegen, weil ich dachte, das sei der Acid-House Smiley. (Gelächter)
Ich habe mich gefragt was hinter den zwei Covern von "Pop & Tod I+II" steht? Das Mädchen schaut in die Ferne der Junge auch?
Stella: Das sind beides Jungs! (Gelächter) Das sollte auch ein bisschen so sein.
Muss ich das jetzt erkennen?
Stella: Das war eigentlich genau das Spiel damit.
Ist an das Cover noch eine tiefere Bedeutung gekoppelt?
Stella: Es sollte einfach eigentlich etwas Rätselhaftes und Sphärisches sein. Gestalten, die man nicht so richtig einordnen kann und auch jetzt weniger mit Mann Frau zu tun haben, also einfach Wesen.
Philipp: Es ging eher um Bild-Ästhetik, die dann im Hinblick auf den Album-Titel lesbar wird aber eben dabei assoziativ bleibt, anstatt um eine klar intendierte Bedeutung.
Ich habe A-, B-, C-, und D-Seite von "Pop & Tod I+II" verglichen. Die A-Seite hat einen klaren Spannungsbogen, B auch, die C-Seite hat ein retardierendes Moment, und D endet dann mit diesem choralen "Haben die Kids". Für mich ist es keine CD, sondern eher ein Vinyl Album. War euch das bewusst?
Philipp: Also bei dieser unglaublichen Menge an Songs, hat man das nicht vor dem Studio geplant, wie das angeordnet wird. Es wurde eher geschaut; hat man abwechslungsreiche Songs dabei und dann war das tatsächlich so, dass wir uns am Ende der Aufnahmen mit unserem Produzenten Moses (Anm.d.Red. Schneider u.a. Produzent von Tocotronic oder Dendemann) hingesetzt haben, und ihm war das dann ein Anliegen, komm wir reden jetzt mal über die Reihenfolge. Wir haben dann Playlisten erstellt und dann so, ja okay sieht schlüssig aus. Wir haben es durchgehört und es war eigentlich wie ein Puzzle zusammenzusetzen. Wir haben es auch durchgehört, mit Blick auf die A-, B-, C- und D Seiten Verteilung und es war sofort klar so und nicht anders. Das war die Lösung dieses Puzzles.
Stella: Wir hatten natürlich auch Glück, dass Anfang und Ende schon gesetzt waren. Wenn man Anfang und Ende hat, waren es nur noch 16 Songs die man dann irgendwie in die richtige Reihenfolge bringen muss.
Was passiert mit den noch nicht veröffentlichten Songs?
Philipp: Es wäre eine geile Gelegenheit die Diskussion wieder aufzunehmen. Die Frage fand ich auch gut. Der Witz ist, dass die Auswahl der Songs, die dann auf Album gekommen sind, eigentlich gar nicht so sehr unter dem Gesichtspunkt ausgewählt wurden, das sind die besten, die müssen wir als erstes aufnehmen. Wir haben einfach losgelegt mit den Aufnahmen. Irgendwann meinte Moses dann, wir machen jetzt 20 Songs, aber natürlich reichen 20 Songs für ein Album, dadurch ist halt folgendes passiert, dass im Nachhinein, weil jeder seine Lieblingslieder hatte, auch Songs nicht aufs Album gekommen sind, die mir im Vorfeld ganz besonders am Herzen lagen oder mitunter meine Lieblingslieder waren. Was damit passiert ist unklar. Möglicherweise auch einfach nichts! Man will ja auch neue Songs machen. Man könnte auch versuchen, alte Songs neu zu arrangieren.
Ihr habt das Album ja dann im Sommer gedroppt, hat die Jahreszeit eine Relevanz bei der Auskopplung? Hattet ihr Einfluss?
Stella: Eigentlich nicht wir haben im Herbst 2015 aufgenommen. Wir wollten das möglichst schnell herausbringen. Das Label hat ja auch immer einen Releaseplan.
Philipp: Ich mein mich zu erinnern, dass die das auch eher ein bisschen später herausbringen wollten. Es stellt sich ja immer noch die Frage des Sommerlochs. Ich habe dass auch irgendwie als komisch empfunden. Gerade die Release Show in Hamburg. Das war einer der heißesten Tage im Jahr und wir droppen den Opener "Die Kälte".
Ein Alien unter Aliens
Würde sich nicht eine Split-EP wie mit Ja Panik auch mit Messer (Anm.d.Red. Philipp spielt auch bei Messer und Stella featured die Band auf dem letzten Album) anbieten?
Philipp: Stella war ja auch auf der neuen Messer-Platte, es gab ja den Vorschlag, ist nicht total abwegig oder ausgeschlossen.
Noch Kontakt zu Ja Panik?
Sonja: Ja.
Habt ihr das Buch "Futur II" gelesen? Der Band-Prozess wird gut beschrieben.
Philipp: Nein noch nicht. Die Band hat schon immer auf faszinierende Art und Weise ihre hermetische Geschlossenheit verkörpert. Das fand ich immer interessant. Eine gewisse Unnahbarkeit nach außen, die aber eine große Innigkeit rübergebracht hat.
Die Stimmung bleibt locker, obwohl die Band ihr Konzert im Anschluss spielt. Zeit sich zu offenbaren, ich erzähle von jugendlicher Begeisterung für eine A capella Variante von "Mein Bester Freund" Der Prinzen, die auf YouTube gut geklickt wird.
Philipp: Prinzen wäre vielleicht auch mal eine Cover-Idee! Kann man mehrstimmig so einiges rausholen!
Sonja: Tatsächlich haben wir bei einigen Songs an die Prinzen gedacht. Diese Harmonien und dann fühlte man sich wie in einem Prinzen-Song.
Philipp: "Küssen verboten" passt ja auch ganz gut zu "Distanz als Form von Nähe".
Ist das Schreiben ein assoziativer Prozess? Wie würdest du es beschreiben?
Stella: Die Idee von einer Strophe habe ich schon vorher überlegt. Assoziativ, weiß ich gar nicht. Ich weiß wie es klingen soll. Es ist immer so eine Rhythmus-Sache.
Stichwort Rhythmus: zwei Wochen lang hat mich beschäftigt, wie du dieses Wort "Alien" in "Haus außerhalb" betonst.
Stella: Lustigerweise wollte ich immer das Wort "Alien" unterbringen.
Philipp: Das Wort wirkt ja auch wie ein Fremdkörper in den Texten.
Stella: Wir haben extra die Texte nicht abgedruckt. Da ist so eine Faszination für englischsprachiges, etwas das man nicht so ganz versteht, weil das so einen komischen Flow hat. Wörter, bei denen man manchmal nicht genau weiß. Im Internet stehen auch viele falsch abgedruckte Texte, es entstehen lustige Missverständnisse.
Solange Knowles oder PJ Harvey?
Zeitlich bewege ich mich schon länger außerhalb des Rahmens, die Band ist zufrieden. "Mach mal noch!"
Journalisten und Musiker feiern euch. In den großen Städten sind die Konzerte voll. Wie geht ihr mit eher weniger gut besuchten Konzerten um?
Philipp: Wir können uns nicht beklagen, man ist ja nicht enttäuscht. Wir haben ja ein relativ realistisches Bild von uns. Es gibt aber ganz verschiedene Sachen, die ein Konzert toll machen, und man kann auch einen magischen Abend mit wenig Leuten haben, und wenn es voll ist kommt es vor, dass man selber unzufrieden mit dem Auftritt ist. Auf der anderen Seite ist man sich im Vorfeld auch nicht immer sicher, ob man die 250 ausverkauft.
Spielt die Auswahl des Klubs eine Rolle? Ob es zum Beispiel ein linker Laden ist?
Alle: Ja!
Philipp: Ja ab und zu spielen wir auf so Burschenschaftsbewegungen (Gelächter). Aber klar wir sitzen im Kula Konstanz, man weiß ja irgendwie über die Kanäle Bescheid. Man freut sich aber auch über bestimmte Locations. Du hast ja den Slow Club in Freiburg erwähnt. Da freut man sich natürlich.
Stella: In Berlin und Hamburg suchen wir uns die Klubs natürlich vorher aus.
Mein Album war "Pop und Tod?" Was war eures?
Stella: PJ Harvey
Philipp: Solange Knowles
Hanitra: Solange
Sonja: Frank Ocean, mich hat es total angesprochen!
Philipp: Die größte Song Entdeckung des letzten Jahres, Isaac Hayes, höre ich immer noch ständig. Wahnsinn wie Musik sich an Zeitlichkeit bindet. Paradoxerweise hakt man was ab. 2016 war diese Platte und jetzt ist 2017. Ich finde das schade, dass passiert unterbewusst, weil eigentlich die Entwicklung durch die Metadigitalisierung stattfindet und die ständige Verfügbarkeit dazu führt, dass sich alle mit allem ein bisschen auskennnen, dann macht man eine Liste am Ende und es wird die nächste Sau durch Dorf gejagt. Ich finde das immer schön wenn man etwas länger gut findet. Wenn einem der Entstehungszeitraum egal wird. Es hat immer einen zeitlichen Kontext, gerade beim PJ- oder Solange Album, die gefallen mir auch noch in ein paar Jahren.
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