laut.de-Biographie
Die Heiterkeit
Am Ende der Musik steht vielleicht die Rückbesinnung auf die dagewesene Musik. In einer Zeit, in der immer mehr Musikenthusiasten vom Glauben an eine sich stetig weiterentwickelnde Popkultur abfallen, sind Die Heiterkeit aus Hamburg für diese These Musterbeispiel.
2010 sorgt das anfängliche Frauentrio mit seiner selbstbetitelten Debüt-EP für den Beginn dieser Rückbesinnung. Denn wenig scheint Die Heiterkeit ferner, als auf die progressive Kraft der Musik und inhaltliche Agitation zu vertrauen. Vielmehr ist es die Befindlichkeit der Hamburger Schule in Verkörperung von Tocotronic, auf die Stella Sommer (Gesang, Gitarre), Rabea Erradi (Bass, Gesang) und Stefanie Hochmuth (Schlagzeug) verweisen.
Die Heiterkeit positionieren sich - wenn überhaupt - eher gegen die neue Riege junger deutscher Pop- und Rockbands wie Trümmer, die sich oft auch politisch gegen den Status Quo wenden. Anstelle von kalrem Widerspruch setzen Die Heiterkeit auf introspektive Befindlichkeiten, beinahe lustlos langsamen Minimalrock und jede Menge Ennui. Als Markenzeichen dient insbesondere Sommers tiefe, rauchige Stimme, die an Nico erinnert.
"90 Prozent aller Popsongs bestehen daraus, dass jemand das Opfer ist", sagt die Songwriterin über ihre Texte: "Wurde verlassen, ist jetzt unglücklich. Oder: Wurde verlassen, ist jetzt drüber weg. Das nervt tierisch, dieses Passive. Wir wollten das mal umdrehen, eine aktive Haltung einnehmen, gerade auch als Frau."
Musikalisch geht der Dreier damit aber grundsätzlich nicht nach vorne, sondern tritt lieber einige Schritte zurück, um sich selbst und das zwischenmenschliche Drumherum nüchtern bis desillusioniert zu reflektieren und daraus griffig-zynische Slogans zu formen. Dazu passt das Bandlogo, ein Smiley mit neutralgeradem Mund, das nicht nur Nirvana, sondern auch die eigene Befindlichkeit spiegelt.
Dieser spröde Slowcore mit betont unaufgeregter Attitüde stößt unter Hörern, vor allem aber in den Feuilletons des Landes auf viel Gegenliebe. So feiert die Presse das 2012 erscheinende Debütalbum "Herz Aus Gold" (Staatsakt) zum einen für den Ansatz der Entschleunigung, zum anderen vermutlich auch schlicht für den Noveltyeffekt, den ein Frauentrio aus der Hamburger Schule eben so mit sich bringt.
Im selben Jahr erscheint auch eine Split-EP mit den österreichischen Indielieblingen Ja, Panik. Auf deren Label Nein, Gelassenheit, einem Sublabel von Staatsakt, setzt es auch Albumstreich Nr. 2. Auf "Monterey" reduzieren Die Heiterkeit ihre Rockelemente noch weiter, akzentuieren dafür die Joy Division-Bassläufe und Cure-Gitarren. Nicht jeder feiert die maximierte Monotonie des von Koryphäe Moses Schneider (Tocotronic) produzierten Albums, manch Fan der ersten Stunde verabschiedet sich hier gar bereits wieder von der "Musik wie eine Familienpackung Valium".
2013 steigt Drummerin Hochmuth aus, sie wird ab dem dritten Album "Pop & Tod I+II" von Messers Philipp Wulf ersetzt. Sonja Deffner, die die Band vorher bereits als Tour-Keyboarderin begleitet hat, wird viertes offizielles Bandmitglied. Im selben Jahr verkündet die Band außerdem, dass Hanitra Wagner aus der Kölner Formation Oracles Erradis Platz am Bass einnimmt.
Sich selbst vergleichen Die Heiterkeit vorzugsweise mit anderen dagewesenen Antihelden der Gitarrenmusik. Pavement und Velvet Underground sind Bands, auf die sich Sommer, Wagner, Wulf und Deffner immer wieder beziehen.
1 Kommentar
Sehr unterschätzte Band. Für mich persönlich einer der wichtigsten deutschen Band der letzten 20 Jahre.