laut.de-Biographie
Joe Strummer
1986 endet Joe Strummers erfolgreiches Musik-Kapitel unter dem Titel The Clash, doch der Sänger weint der Band keine Träne nach. Etliche Besetzungswechsel und Unstimmigkeiten über musikalische Veränderungen bohrten ein nicht mehr zu kittendes Loch in den Bug des einstigen Erfolgsdampfers. Doch noch im selben Jahr erscheinen zwei neue Songs aus dem Hause Strummer, die er für den Soundtrack zur Johnny Rotten-Film-Hommage "Sid And Nancy" beisteuert.
Mit Regisseur Alex Cox versteht sich Joe auf Anhieb blendend, so dass er auch für dessen nächsten Film, dem Historien-Abenteuer "Walker", Songs komponiert und obendrein selbst mitspielt. Dieses neue Betätigungsfeld gefällt dem Jungschauspieler ganz gut und so sieht man ihn auch in Cox' Spaghetti Western "Straight To Hell", übrigens neben Courtney Love, The Pogues und Elvis Costello, doch der Streifen erntet fast durchweg Verrisse. So findet die Chicago Sun Times: "Der Film wurde in drei Wochen mit dem knappen Budget von einer Million Dollar abgedreht, doch man vermutet eher, es war nur eine Woche mit der Kohle von Cox' Mastercard." Weitere Auftritte hat Joe in den Filmen "Candy Mountain" von Robert Frank, in Jim Jarmuschs "Mystery Train" (1989) und in Aki Kaurismäkis "I Hired A Contract Killer" (1990).
1989 fühlt er sich dann reif für ein erstes Soloalbum. "Earthquake Weather" beinhaltet einen Clash-ähnlichen Stilmix aus Rock, Folk und Reggae, kombiniert mit Strummers unverkennbarer Stimme. Da er auch auf Welttournee gehen will, stellt er sich eine Live-Band zusammen und rekrutiert u.a. den damaligen Ex-Red Hot Chili Peppers-Drummer Jack Irons, der nach Hillel Slovaks Tod mit mentalen Problemen kämpft. Irons erinnert sich später, wie er 1990 zu Strummer am Telefon sagt: "Du weißt schon wer ich bin? Ich sitze im Pyjama in einer Nervenheilanstalt und habe seit sechs Monaten kein Schlagzeug mehr gespielt." Doch Strummer lässt sich nicht beirren und holt den Mann in seine Band. Später tritt Irons Eleven und Pearl Jam bei.
Im Anschluss daran hilft er den Pogues als Tour-Ersatz für deren Gitarrist Philip Chevron aus, um kurze Zeit später gar ans Mikro vorzustoßen, da die Band sich mit Sänger Shane MacGowan verkracht. Ein weiteres Ergebnis der neuen Liebschaft ist die Produktion des Pogues-Albums "Hell's Ditch" im Jahr 1990. Anschließend wird es ruhig um den Rebellen. Erst 1996 hört man wieder von ihm, als er mit der britischen Band Black Grape die Fußball-Hymne "England's Irie" aufnimmt. Ein Jahr später komponiert er den Soundtrack zum John Cusack-Streifen "Grosse Pointe Blank", 1999 liefert er mit "Rock Art And The X-Ray Style" sein zweites Solowerk ab, auf dem zum ersten Mal die Mescaleros mitwirken, seine letzte Band.
2001 erscheint mit "Global A-Go-Go" ein weiteres Werk mit den Londoner Musikern, auf dem ordentlich gerockt, gefolkt und gepunkt wird. Strummer fühlt sich pudelwohl im neuen Line-Up und so entstehen haufenweise neue Tracks. Die neue Energie endet abrupt mit seinem viel zu frühen Tod: Im Dezember 2002 stirbt der Sänger und Gitarrist völlig überraschend in seinem Farmhaus in Broomfield/Somerset an einer Herzattacke. Bei seinem Begräbnis sind neben Ehefrau Luce und den drei Kindern u.a. die früheren Clash-Mitglieder Mick Jones, Paul Simonon und Topper Headon anwesend. Posthum erscheint Ende 2003 das Album "Streetcore", das Strummer noch vor seinem Tod beinahe vollständig mit den Mescaleros fertig stellte.
Im selben Jahr ruft die britische Naturschutzorganisation Future Forests, heute bekannt als The Carbon Neutral Company, dazu auf, die Pflanzung von Bäumen auf der schottischen Insel Isle of Skye in seinem Gedenken zu unterstützen. Als Umweltaktivist half Strummer dabei, die Organisation zu gründen und vermittelte Kontakte zur Musikindustrie und Kollegen wie Pink Floyd, Coldplay und Massive Attack. So entsteht der Joe Strummer Memorial Forest.
Anfang 2003 erklärt die obligatorische Nachlass-Best-Of von The Clash namens "Ultimate Collection" auf 41 Tracks nochmal all den Fans von The Strokes, The Vines und den White Stripes, wer das Ding mit den rebellischen Punk-/Rock'n'Roll-/Working-Class-Hymnen erfunden hat. 2007 setzt Regisseur Julien Temple ("The Great Rock And Roll Swindle", "The Filth And The Fury") das Leben und Schaffen Strummers im Film "The Future Is Unwritten" in Szene. Viele Musiker und Freunde kommen zu Wort, darunter Mick Jones, Topper Headon, Dub-DJ und Dokumentarfilmer Don Letts, Regisseur Jim Jarmusch und die Schauspieler Matt Dillon und Johnny Depp.
Derweil entdeckt Strummers Witwe Lucinda Mellor beim Ausmisten in ihrem Gartenhaus ein unbekanntes Musikarchiv. Taschen und Koffer voller Dinge, die ihr Mann von Tourneen mitbrachte, Notizen, Skripte, Zeichnungen, Songtexte, Kassetten - kurz: ein absoluter Schatz. Es dauert dann noch einmal elf Jahre, bis die Arbeit der Sichtung und Gewichtung, die sie sich mit Strummer-Freund und Wegbegleiter Robert Gordon McHarg teilt, Früchte trägt. 2018 erscheint "001" in mehreren Formaten. Neben der regulären Doppel-CD dürften Fans vor allem die Deluxe-Boxsets (2xCD/4xLP) interessieren. Der Limited Edition des Vinyls liegt neben Siebdruck, 7"-Single, Kassette, Artprints und Badges auch ein Hardcover-Buch bei mit vielen der aufgefundenen Notizen und Einträgen des Sängers. Das Coverfoto stammt von Strummers kalifornischem Führerschein aus dem Jahr 1990.
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