Taubertal Festival: Bilderbuch, Broilers u.a. im Zaubertal

Party, Gewitter und Ingo von den Donots hat Geburtstag: 15.000 Fans feierten vor der wohl schönsten Festivalkulisse Deutschlands.

Rothenburg o.d.T. (laut) - Nahezu ausverkauft und mit einem fetten Line-up präsentiert sich heuer das familiäre Taubertal in Rothenburg ob der Tauber - die vielleicht schönste Festivalkulisse Deutschlands. Umgeben von grünen Wiesen und einem kleinen Fluss liegt das Taubertal Festival idyllisch zu Füßen der pittoresken Stadt in Mittelfranken.

Majestätisch thront die Burg über dem Veranstaltungsgelände. Aber nicht nur die Landschaft zieht alljährlich Tausende Besucher:innen an, sondern das stets stabile Line-up. 2023 haben sich unter anderem Peter Fox, Bilderbuch und Marteria angekündigt.

Stabiles Line-up

Die Anreise am Mittwoch wurde für einige Fans gleichwohl zur Geduldsprobe. Um die Befahrbarkeit der Campingflächen nach starkem Regen noch gewährleisten zu können, stoppten die Veranstalter:innen kurzerhand den Zugang, sehr zum Unmut der meist noch jungen und ungeduldigen Anreisenden - worüber Besucher:innen des diesjährigen Wacken natürlich nur müde lächeln können. Bis zum Abend hat sich die Situation aber in Wohlwollen aufgelöst, die Campingflächen füllen sich. Wer am Donnerstag schon vor Ort ist, führt sich bereits erste Bands wie die Subways zu Gemüte.

Deine Cousine ist da

Richtig startet das Festival dann ab Freitag durch. Das erste Highlight sind die Hamburger Deine Cousine, die mit rotzfrechem Punkrock klare Kante gegen Arschlöcher und Chauvis zeigen. So viel Spielfreude und erfrischende Attitüde gibt es nicht oft in deutschen Gefilden. Hoffentlich sieht man die Band bald als Mainact.

Auch Betterov kommen beim Publikum an, doch der wahre Gewinner auf der charmanten Sounds of Nature-Bühne ist eindeutig Edwin Rosen. Der Newcomer aus Stuttgart ist aktuell eines der größten Talente der deutsche Musikszene und verzaubert dank unprätentiöser Art, unverwechselbarem Synthiesound und tiefgründigen Texten generationsübergreifend. Obwohl er gegen Headliner Peter Fox anspielt, sind die Reihen vor der Bühne dicht geschlossen: Die neue Generation ist da, und die alten Herren sollten sich warm anziehen.

Von Flamingos bis Elvis

Auf der Mainstage geht es musikalisch bunt gemischt zu. Nach dem unterhaltsamen Einstieg mit den Kölner Brassern von Querbeat, die sich nicht nur publikumsnah geben, sondern auch zwei Fans mit aufblasbarem Flamingo über die Menge reiten lassen (Glückwunsch an Jasmin zum Sieg - die Prämie war das Gummitier), zeigen Me First And The Gimme Gimmes, dass "Leaving On A Jetplane" in der Punkrock-Version ganz schön cool kommt. Überhaupt beweisen die Amerikaner, optisch eine Mischung aus Hawaii-Urlaubern und Elvis Presley, dass Punkrock nie zu ernst genommen werden sollte.

Peter Fox zeigt, wie es geht

Nach einem eher überflüssigen Intermezzo von Electric Callboy zeigen Peter Fox und seine Posse dann, wie es richtig geht. Der Seeed-Frontmann reist mit einer Entourage an Musiker:innen und Tänzer:innen, die so viel Energie mitbringen, dass nicht nur die Bühne bebt. Kaum ein Artist bringt so eine besondere Atmosphäre auf die Bühne, die zwischen Sexiness, Coolness und Artsyness pendelt. Die alten Hits wie "Schwarz Zu Blau" oder "Ding" fehlen ebensowenig wie die Songs des neuen Albums "Love Songs". Zünden tun sie alle, und das "Zaubertal", wie das Festival liebevoll genannt wird, reagiert begeistert. Im Anschluss wird im Steinbruch noch weitergefeiert.

Gewitter und Bayern-Rap

"Was soll das denn? Das hab ich nicht bestellt!", jammert Besucherin Lena, die recht bedröppelt vor ihrem lädierten Zelt steht, das das unerwartete Gewitter am Samstagnachmittag kaum überstanden hat. Nach einem kräftigen Schluck vom mitgebrachten Spritzer sieht die Welt aber schon wieder schöner aus, auch der Himmel reißt auf. Ein Glück für alle, die die Show der bayerischen Hip Hop-Matadore Dicht & Ergreifend sehen wollen.

Die gut gelaunten Süddeutschen präsentieren eine Bühne mit zwei Windrädern, Palmen aus Plastik und einer Sonnenbank. Das Backdrop zeigt eine dystopische Interpretation der Landeshauptstadt München mit einer zerfallenen Allianz-Arena und dem eingestürzten BMW-Turm. Weniger bedrohlich kommt der Bayern-Rap, der durch Trompete und Tuba verstärkt wird. Das textsichere Publikum feiert die Hits wie "Basst Schon". Übrigens, wer eher dem Gerstensaft als dem Spliff zugewandt ist, erwirbt das kühle Nass für einen schlappen Fünfer.

Metal und Post-Hardcore stören die Idylle

As Everything Unfolds aus Großbritannien fahren dagegen harte Geschütze auf: Die junge Gruppe um Sängerin Charlie spielen melodischen Metalcore - und sie macht eine verdammt gute Figur dabei. Erst vor zwei Jahren hat die Band ihr Debütalbum vorgelegt, ihnen dürfte angesichts der Songs und Bühnenpräsenz eine goldene Zukunft bevorstehen.

Überhaupt ist die Sounds of Nature-Bühne heute fest in Metal-Hand. Später am Abend liefern Fjørt ein energiegeladenes Set ab, das nicht nur alteingesessene Fans begeistert. Wie Derwische fegen die Musiker aus Aachen über die Bühne und stören mit Post-Hardcore die Idylle. Und womit? Mit Recht!

Outstanding: While She Sleeps

Das absolute Samstags-Highlight sind aber While She Sleeps. Bereits eine Woche zuvor haben die Briten auf dem Wacken Open Air gezeigt, was in ihnen steckt. Aber heute im wesentlichen kleineren Rahmen springt der Funke erst so richtig über. Sänger Loz freut sich über den Zuspruch und lächelt, wenn er sich nicht gerade die Seele aus dem Leib singt: "We stand for two things: unity amongst people and passion for fucking energetic music. So if you're new, welcome to the family, you sexy Motherfuckers!" Um Crowdurfing muss er bei dieser energiegeladenen Performance nicht lange bitten.

"Scheiß Regen!"

Auf der Taubertal-Stage geht es derweil gemütlich zu. Frank Turner, der charmante Brite, liefert ein wie immer solides und fröhliches Set - und auch sein Deutsch, die meisten seiner Ansagen versucht er in deutscher Sprache, wird immer besser. Etwas unglücklich für den Künstler, dass es pünktlich zu seinem Gig wieder wie aus Eimern schüttet. "Scheiß Regen!", kommentiert er. Die Fans lassen sich davon aber nicht stören und feiern ausgelassen im Regen weiter, denn auf Festivals gibt es ja bekanntlich kein schlechtes Wetter.

Marteria und Provinz

Weitere Acts auf der Taubertal-Stage am Samstag sind Provinz, die vor allem die jungen weiblichen Fans mit ihrem Indiepop ansprechen. Der Regen hat endlich aufgehört, und so vermischt sich der Dunst über dem Taubertal sphärisch mit dem Nebel von der Bühne. Wenn darüber diskutuert wird, dass die Provinz doch besser ist als die Großstadt, rennen die Ravensburger beim Publikum natürlich offene Türen ein.

Headliner Marteria liefert danach vor der schönsten Kulisse Festivaldeutschlands und vollem Haus so routiniert wie makellos ab: Der Rapper und seine Band feiern mit den Fans fast solange, bis die Wolken wieder lila sind.

15.000 Besucher:innen und wenig Müll

Der Sonntag hat, bis auf kurzen Nieselregen, wieder Sonne im Gepäck. Ein würdiger Abschluss für das friedlich verlaufene Festival, das den Veranstalter:nnen zufolge knapp 15.000 Zuschauer:innen an drei Tagen anzog. Der Nachhaltigkeitsgedanke stand dabei - bei Fans und Festivalteam - wieder hoch im Kurs, so die Organisator:innen, die die vergleichsweise geringen Müllmengen hervorhoben.

Im Line-Up sind am letzten Festivaltag u.a. die schwedischen Rocker:innen The Baboon Show, die Showgaranten Donots, Team Scheisse und Bilderbuch aus Österreich gelistet - der finale Headlinerslot gehört den Broilers. Und trotz Aufbruchsstimmung feiert das Publikum die Acts ausgiebig, auch die diesjährigen Emergenza-Sieger TRAInnovation spielen ihren wohlverdienten Slot auf der Hauptbühne.

Blut am Kinn

Bei den Donots geht es gewohnt energetisch zu, Frontmann Ingo Knollmann springt beständig und besucht natürlich persönlich den Moshpit. Allein sein Versuch, auf einem Gummikrokodil zur Bühne zurückzukehren, bleibt nur mäßig von Erfolg gekrönt. Sein Bruder und Gitarrist Guido zieht sich während der ersten Songs eine Blessur am Kinn zu, aber das bisschen Blut hält keinen Vollblutpunk auf. Bei Team Scheisse heißt es dann: Shirts AN! Alle sollen sich wohlfühlen und ihre inklusive Attitüde macht die Band den begeisterten Fans gleich zu Beginn des Konzerts klar.

Eine Ausnahmeband: Bilderbuch

Das Highlight des Abends liefert aber auf der Hauptbühne die Wiener Band Bilderbuch ab. 18 Jahre mussten sie auf den Gig im Zaubertal warten und feiern dies auch entsprechend. Sänger Maurice Ernst windet sich lasziv und lässt sich von der Menge tragen. Die Sexiness, die Bilderbuch live verströmt, ist in der deutschen Livemusik unerreicht. Was für eine Show! Ausnahmegitarrist Michael Krammer beeindruckt mit ausufernden und technisch versierten Gitarrensoli, aber auch der Rest der Band zeigt, warum sie als der heißeste Musikexport Österreichs gehandelt werden.

Kein Hit fehlt, "Spliff", "Maschin" und "Bungalow" ebensowenig wie "Baba". Beseelt wartet das Publikum danach auf den Rausschmeißer: Die Broilers beenden gewohnt superb das Taubertal 2023 - aber nicht, ohne zuvor noch mal Ingo von den Donots auf die Bühne zu holen, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Man darf gespannt sein, welche Acts sich 2024 vor der malerischen Kulisse Rothenburg ob der Taubers die Ehre geben werden!

Text und Fotos: Désirée Pezzetta.