laut.de-Biographie
The Coup
Die einzige Untergrund-Rap-Crew, die es in die BILD Zeitung geschafft hat - ein Titel auf den das Oaklander Hip Hop-Duo The Coup sicher gerne verzichtete. Aber erstens kommt bekanntlich alles anders und, zweitens, als man denkt. Und wer konnte schon im August 2001 ahnen, dass ein Plattencover, auf dem die Türme des World Trade Centers gesprengt werden, nur wenige Wochen später zur geschichtsverändernden Realität wird.
Nun trifft es bei besagtem Vorfall keine Band, die zuvor vollkommen ohne Kritik ihre musikalische Karriere bestritt. Wer als Rapper öffentlich zur Lektüre von Marx' "Kommunistischen Manifest" aufruft, darf sich über kritische Stimmen nicht wundern. Aber eines nach dem anderen. Denn die dezidiert selbstbezeichnete kommunistische Rap-Crew The Coup hat sich schon lange vor dem für Furore sorgenden Cover ihres vierten Albums "Party Music" mit ihren (politischen) Ansichten selten hinterm Zaun gehalten.
Anfang der Neunziger schließen sich die Rapper Raymond "Boots" Riley und E-Roc, sowie die Plattendreherin DJ Pam The Funkstress im kalifornischen Oakland zu The Coup zusammen. Alle drei, in erster Linie aber Boots Riley, blicken auf einen politisch aktiven Background zurück. Als Afroamerikaner aus Oakland liegt das nicht fern. Dort gründeten Mitte der Sechziger Jahre die Studenten Huey P. Newton und Bobby Seale die Black Panther Party und führten die Belange des Civil Rights Movements mit ihren sozialistischen, aber vor allem radikalen Ideologien einen Schritt weiter als ein Martin Luther King oder eine Rosa Parks.
The Coup sehen sich von Beginn in der sozialistischen Tradition der Black Panthers - sie lesen Marx' "Kommunistisches Manifest" und Frantz Fanons "The Wretched of the Earth". Musikalisch orientieren sie sich bei Public Enemy und KRS-One, die die Speerspitze der politisch-bewegten Rap-Szene bilden. Während sich jedoch KRS-One und Chuck D. meist auf die prekären Verhältnisse des afroamerikanischen Struggles konzentrieren, öffnen The Coup ihre Kritik auf weitergefasste Probleme wie etwa die Kapitalismus-Kritik.
Außerdem unterscheidet sich das Trio auch musikalisch von seinen Vorbildern wie Public Enemy. Während PEs Bomb Squad Chuck und Flav mit explosiven Drum-Salven und kreischenden Samples versorgt, orientieren sich The Coup eher an einem zurückgelehnteren und entspannten Siebziger Funk à la Parliament und Funkadelic.
Sowohl das Debüt "Kill My Landlord" (1993), wie auch der Zweitling "Genocide & Juice", ein Jahr später, bringen die Formel aus funkigen Basslines und links-ideologischen Texten auf den Punkt. Der The Coup-Sound und seine Aussagen sind in sich schlüssig, doch scheint sich in der Hochphase des Ghetto-Realitäts-Raps (Nas' "Illmatic", Wu-Tangs "36 Chambers" oder Biggies "Ready To Die") keiner für die Belange der Oaklander Band zu interessieren. The Coup geschieht in erster Linie abseits der breiten Öffentlichkeit.
Vielleicht ein Grund für Rapper E-Roc die Band nach der Veröffentlichung von "Genocide & Juice" zu verlassen. Die Zeiten stehen schlecht für The Coup. Man trennt sich vom langjährigen Label Wild Pitch Records und legt die Band vorläufig auf Eis. Pam kommt als DJ über die Runden und Boots schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, ohne aber sein politisches Engagement zu unterlassen. Er gründet zu dieser Zeit etwa die Young Comrades, ein Zusammenschluss für den politisch aktiven, kommunistischen Nachwuchs.
Als Duo kommen Pam und Boots schließlich einige Jahre später erneut zusammen und ihnen gelingt 1998 eine weitläufig unterschätzte Großtat des Genres. Abseits jeglicher Klischees (ausgenommen der politischen vielleicht) präsentiert sich "Steal This Album" als inhaltsvolles, musikalisch unterhaltsames Gesamtwerk, das sogar nur wenige Kritiker auf den Schirm bekommen. Der Titel nimmt Anleihe an der Yippie-Bibel "Steal This Book" von Abbie Hoffman, worin die 68er-Ikone Anleitung zu allem gibt, was der geneigte Revoluzzer so in den anfänglichen Siebzigern so braucht (Drogen, Kommunenleben, Bombenbau).
Auch "Steal This Album" arbeitet mit unterschwelligem Humor, der so scharfsinnig wie nur wenige Genre-Kollegen es vermögen die eigene Existenz zwischen Afrozentrizität und US-Bürgertum zu erörtert. Zusätzlich brilliert Rapper Boots etwa auf dem siebenminütigen Track "Me And Jesus The Pimp In A '79 Granada Last Night" als begnadeter Storyteller, der einen Vergleich mit Slick Rick nicht scheuen brauch.
The Coup haben wieder neue musikalische Motivation gefunden und kündigen für Mitte 2001 ihr viertes Album an. Das kommt noch vor Veröffentlichung zu ungewohnter Publicity - der Grund dafür ist jedoch eher ernüchternd. Das Cover zeigt Boots und Pam vor dem New Yorker World Trade Center, das gerade in die Luft fliegt. Im Vordergrund löst Boots die Sprengung aus, die sehr stark an die Explosion erinnert, die nur Tage zuvor - am 11. September - die Türme dem Erdboden gleich gemacht hat. The Coup haben Glück im Unglück, da die VÖ der Platte erst ansteht. Man ändert also das Cover, um im von der Katastrophe paralysierten Amerika nicht gelyncht zu werden.
Das eigentliche Cover macht trotzdem die Runde, verbreitet sich durch die Medien und landet schließlich sogar aufreißerisch in der führenden deutschen Boulevard-Zeitung BILD. So sind The Coup schließlich ein weltweites Gesprächsthema - von der neuen Platte "Party Music" will trotzdem niemand wirklich was hören. Und auch hier verpasst die Öffentlichkeit den gewohnt qualitativ hohen Mix aus funkigem Hip Hop und tiefgehenden Lyrics.
Wie die Medienlandschaft so ist, ebbt auch das (gehypte) Interesse an The Coup wieder ab. Alles beim alten also. Boots widmet sich seiner politischen Aktivitäten, Pam arbeitet in erster Linie als DJ weiter. Musik machen sie auch weiterhin gemeinsam, was schließlich 2006 in ihrem fünften Album "Pick A Bigger Weapon" kulminiert. Für den Longplayer nimmt die beiden Epitaph Records unter Vertrag, musikalisch holen sie sich Unterstützung von Audioslaves Tom Morello, dem Tony! Toni! Toné!-Musiker D'Wayne Wiggins, sowie The Roots-Rapper Black Thought und Talib Kweli.
Am Konzept hat sich auch weiterhin nichts verändert, trotzdem bleibt auch "Pick A Bigger Weapon" erstaunlich zeitgemäß. Mal wieder kommt The Coup lediglich durch Negativschlagzeilen ins Gespräch: Im Dezember 2006 verunglückt der Tour-Bus in der Nähe von San Diego. Einige Mitglieder des Teams werden mittelschwer verletzt und die Tour, auf der man gemeinsam mit Mr. Lif war, muss abgebrochen werden.
Noch keine Kommentare