laut.de-Kritik
Dank Geoff Barrow in der Form ihres (jungen) Lebens.
Review von Michael SchuhSchwer zu sagen, ob mir die Coverartwork-Analogie der neuen Horrors zum The Cure-Meilenstein "Pornography" aufgefallen wäre, hätte ich nicht schon vor Wochen eine Mail des Promoters erhalten, in der folgendes stand: "Die neue The Horrors ist auf dem Weg zu dir. Die Platte ist sehr sehr groß und weit weg vom Sound der letzten. Produziert hat Geoff Barrow." Dass Label-Mitarbeiter eine Platte ihres Repertoires toll finden, ist jetzt nicht sonderlich aussagekräftig. Handelt es sich aber um das Beggars-Label und ist bei der hochgelobten Produktion ein Mensch von Portishead im Spiel, hört man schon mal genauer hin.
Die Recherche deckt die Namen Chris Cunningham und Nick Zinner im Bandumfeld auf, und die gesichteten Fotos der Horrors offenbaren, dass die Outfits anno 2007 von Cinema Bizarre irgendwie auch keine Lichtjahre entfernt waren. Von den "Strange House"-Horrors ist 2009 aber eigentlich nur der Bandname geblieben.
Das nette, aber kaum erwähnenswerte Misfits-Soundupdate ist passé, Ex-Produzent Zinner wurde durch Barrow ersetzt, und die toupierten Haare und bleichgeschminkten Gesichter sind hinter der farbstichigen Pop-Art-Ästhetik der aktuellen Pressefotos auch nur noch zu vermuten.
Und dann die Musik: Schon den facettenreich arrangierten Opener "Mirror's Image" mit seinem repetitiven Keyboardmuster und den drängenden Gitarren mag man den Milchbubis aus dem seinerzeit in Band-Presseinfos von Southend-On-Sea in Southend-On-Hell mühsam umgedichteten, südbritischen Badeort nicht recht zutrauen. "Three Decades" zieht das Tempo an und erhöht die Dramatik der Melodieführung anhand eines lichten wie schnörkellosen Noise-Teppiches, für den man dann wohl dem "The Rip"-Mastermind Barrow danken muss.
Ich würde nicht so weit gehen, zu behaupten, man könne die Handschrift des Portishead-Mannes aus den Songs herauslesen. In jedem Fall muss Barrow aber eine gewaltige Rolle bei der Soundauswahl und in Arrangementfragen gespielt haben. Kaum ein Break ist überflüssig oder effekthascherisch gesetzt. Im Mittelpunkt steht immer die Atmosphäre des Songs.
Als musikalische Koordinaten dürfen ohne falsche Scham die eleganten Rocker Chameleons genau so wie der schleppende Krautrock von Faust oder die Feedbackschleifen-Künstler My Bloody Valentine genannt werden. Trotz aller Hilfe von außen müssen Songs wie das vibrierend-metallische "Do You Remember" oder das rabenschwarze "I Only Think Of You" aber erstmal geschrieben werden.
Hier wächst Sänger Faris Badwan über sich hinaus: Sein dunkles Timbre ist wahrscheinlich hauptausschlaggebend für die stilistische Einordnung in die frühen New Wave- und Gothic-80er. Nach dem gloriosen Titeltrack, auf den selbst die jungen Echo & The Bunnymen neidisch wären, verabschieden sich The Horrors mit der achtminütigen, keine Fragen offen lassenden Groove-Walze "Sea Within A Sea".
Die Horrors haben sich im Vorfeld der Albumaufnahmen ganz offensichtlich eine Menge Gedanken gemacht mit dem Fazit, dass nach dieser überzeugenden Vorstellung die Zukunft der Ex-Krawallbrüder plötzlich ungeahnt rosig aussieht. The Cure veröffentlichten nach "Pornography" übrigens 3-Minuten-Popsongs fürs Radio. Mal schauen, wie die Southend-On-Heller diesen Kraftakt verarbeiten.
10 Kommentare
Klingt interessant. Das Erstlingswerk wusste zu gefallen, aber scheinbar muss man sich hier auf was vollkommen neues einstellen. Anhören werd ich mir die Scheibe definitiv mal.
sehr grandioses teil!
Hihi, ich kenn die Cousine vom Sänger (Ich weiß... Interessiert keinen...)
123456re
sea within a sea (http://www.youtube.com/watch?v=K1lD5cE6Bwc) ist auf jeden fall grandios.
schon erstaunlich, was geoff barrow aus dieser gurkentruppe gemacht hat.
Das ist schon ein ziemliches geniales Stück Musik - ohne Frage.