laut.de-Biographie
Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra And Tra-La-La Band
Stammhalter Abraham soll vor grauer Urzeit den Tempelberg bestiegen haben, um Gott seinen einzigen Sohn Isaak zu opfern. Wer früher im Religionsunterricht aufgepasst hat, könnte das noch wissen. Gleichzeitig dient der höchste Punkt im heutigen Jerusalem auch als Referenz für die Namensgebung dieser kanadischen Postrocker.
Schließlich ist Bandgründer Efrim Menuck jüdischer Abstammung und hat auf lange Sicht ebenfalls ein großes Opfer dargebracht: Menuck gehört wie seine Mitstreiter Sophie Trudeau und Thierry Amar zu den Gründungsmitgliedern von Godspeed You! Black Emperor, jener politisch motivierten wie brachialen Instrumentalkapelle aus Montreal, die auf unbestimmte Zeit pausiert, seit es mit Silver Mount Zion Ernst wurde.
Der Schatten, den GY!BE auf das nachrangige Projekt wirft, ist zunächst dementsprechend lang. Dabei möchte Menuck die ausgetretenen Pfade seiner Hauptband, bei der eine grundlegend anarchistische Herangehensweise zum Konzept gehörte, eben gerade verlassen. Silver Mount Zion soll sich Filmmusik klassischer Prägung widmen.
Man hat jedoch schnell genug von Notenschlüsseln und Partituren - alsbald wird auch im Hause Zion die Regellosigkeit zum obersten Prinzip erkoren. Pointiert eingesetzte Gesangsbögen werden sukzessive zum stilprägenden und sinnstiftenden Moment der Band. Zur Erinnerung: Godspeed You! Black Emperor kamen bis auf wenige Ausnahmen ohne Vocals aus. Meist erzeugten bei ihren Tracks düstere Audio-Samples Endzeitstimmung.
Präsentiert das 2000er Debütalbum "He Has Left Us Alone But Shafts Of Light Sometimes Grace The Corner Of Our Rooms ..." noch erdig instrumentierte Kammermusik mit Postrock-Sprengseln, so schwellen Silver Mount Zion bereits für den Zweitling "Born Into Trouble As The Sparks Fly Upward" numerisch zu einem tosend musizierenden Kollektiv an. Man ändert den Bandnamen in The Silver Mt. Zion Memorial Orchestra & Tra-La-La-Band, weitere Korrekturen in der Namensgebung folgen.
Mit fiependen, windschiefen Geigen, getragenem Klavier und klassischer Rock-Besetzung erzeugen SMZ eine rohe wie erhabene Noisekulisse, die in ihrer Wirkung den Isländern von Sigur Rós, aber auch stets den Veröffentlichungen von GY!BE ähnelt. Über der Wall-Of-Sound und durch brüchiges Fundament hindurch dringt Efrim Menucks Singen, Heulen, Winseln. Aus Leibeskräften.
Die nachfolgenden Alben beschreiten den eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Die Entwicklung geht weg vom Track hin zum Song. Folkloristischen und choralen Arrangements wird Raum und Zeit zur Entfaltung gegeben. Auf der Bühne singen die mittlerweile sieben Bandmitglieder mitunter gemeinsam ihre politisch aufgeladenen Sätze, unterdessen fokussieren die Kanadier immer stärker auf einen Wandel hin zu düsterer Protestmusik.
Zu einer Kunst, die in der Geisteshaltung rebellischen Punkrocks Weltkriegsszenarien entwirft und fundamentale Gesellschaftskritik übt. Musik, in deren Kontext Botschaften - im Gegensatz zu GY!BE - ausgesprochen und herausgeschrieen werden dürfen. Vielleicht haben SMZ den großen Bruder genau deshalb überdauert.
Passenderweise veröffentlich(t)en beide Bands ihre Alben auf dem Indie Constellation Records. Dank seines handverlesenen Postrock-Katalogs und der antikapitalistische Geschäftsideologie hat das Label sich bereits in den Neunzigern weltweit einen Namen im Indiekosmos gemacht.
Achso: Abraham musste seinen Isaak am Ende übrigens am Ende gar nicht opfern. Als Gott seinen Gehorsam sah, ließ er einen Engel schicken und alles wurde gut. Wenn die politische Lage es zulässt oder notwendig macht, gibt es also vielleicht auch irgendwann wieder eine gemeinsame Zukunft von SMZ und GY!BE. Genaueres weiß da wohl nur Efrim Menuck.
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