laut.de-Kritik
Mit der 187 Strassenbande auf dem Rummelplatz.
Review von Dominik LippeDeutschrap kann eine zähe Angelegenheit sein. Wenn nicht gelegentlich Figuren wie Shacke One den Defibrillator ansetzten, wäre die Monotonie gerade im spaßbefreiten Mainstream erdrückend. Auch LX von der 187 Strassenbande lehnte sich zu Jahresbeginn in wolkige Ödnis zurück. Doch nun packt ihn sein Langzeitbegleiter Maxwell bei der Rapper-Ehre, um sich für den dritten Teil der "Obststand"-Reihe nochmal gemeinsam ins Zeug zu legen. Und tatsächlich verspricht bereits das Cover herrlichen Trash, der sich zwischen die grob bebilderten Untergrund-Klassiker einreihen will.
Vom bolivianischen Sosa-Sample aus "Scarface" leiten die Produzenten Fade und Niroc zum druckvollen Urwald-Instrumental über. In der grobschlächtigen Umgebung von "Drysift" gibt gerade der zuletzt humorlose Maxwell eine hervorragende Figur ab. Das gilt auch für "Ghetto Nikez", das trotz des beteiligten RAF Camora einen temporeichen Aufbruch vermittelt. Inhaltlich konzentrieren sich die Rapper selbst dann darauf, ihr Revier zu markieren, wenn DeeVoe "Freitags" ihren breitschultrigen Vortrag mit einer melancholischen Ebene unterlegt, bevor er sich durch die 187-Diskografie sampelt.
Lawin, Soma und Sören Last bauen auch in "Crazy" ein betrübtes Grundrauschen ein, das im Kontext deplatziert wirkt. Merkwürdig entrückt klingt dann auch die Hookline, was aber auch am Codein liegen mag. LX lässt zumindest punktuell durchblicken, dass sein Horizont in Wahrheit nicht nur bis zum Ende des Bezirks an der nächsten Straßenecke reicht: "Wunde Finger vom Geld zählen. Wollen reich werden, wollen die Welt sehen." Auch Maxwell schwächt seine ignorante Haltung gelegentlich ab, indem er wie in "Draussen" seine Reiselust betont. "Jetset, flieg’ um die Welt!"
Angesichts der begrenzten Themenlage lässt es sich wohl kaum vermeiden, dass die Straßenbanditen in Songs wie "Immer Noch Wach" oder "Long Time" an einigen Klischee entlang schrammen. "Eine Knarre unter'm Sitz, eine in mein' Allibert. Sie gönn' dir nie, wenn du Ferrari fährst", fördert vornehmlich LX die gifthaltige Melange aus Neid und Paranoia zutage. Stereotyper Schwachsinn prägt auch "Kreis Klein". "Hier ist kein Platz mehr am Tisch", befinden sie als x-te Vertreter des engherzigen Raps. Dazu sampeln sie Tupac, Redman, MC Eiht und Ice Cube, als zählten jene zum erlesenen Personenkreis.
Doch LX und Maxwell gestatten sich auch eine vergnügliche Seite, die "Obststand 3" überaus gut tut. In "Dom" amüsieren sich die beiden auf dem Rummel. "Beim Bogenschießen riskieren wir alles, Dosenwerfen und Entenangeln", preisen sie mit ihrem demonstrativen Rotz-Vortrag die unschuldigen Aktivitäten, bevor sie sich zum SkyFall und der Wilden Maus weitertreiben lassen. Zwischendurch mampfen sie dann noch "kandierte Früchte, 'ne Riesentüte gebrannte Nüsse". Eine halbe Fußballmannschaft an Produzenten fängt das kindliche Staunen des drolligen Duos dazu musikalisch ein.
Derlei Relativierungen entlasten immer wieder ihre bärbeißige Wirkung. Maxwell gibt in "Draussen" mit seiner halbautomatischen Waffe an, um in derselben Zeile gleichberechtigt in Siegerpose seinem Kakao-Konsum zu frönen. Passenderweise speisen sie ihre kulturellen Referenzen nahezu ausschließlich aus der japanischen (Son Goku, Sailor Moon), französischen (Asterix) und US-amerikanischen Comicwelt (SpongeBob Schwammkopf). Mit solch wunderbarem Blödsinn und ihrem druckvollen Trademark-Sound sollte die 187 Strassenbande auch abseits von Gerichtsverfahren präsent bleiben.
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On point