Porträt

laut.de-Biographie

Rhymefest

Kanye West war nicht der erste, der die Midwestern Metropole Chicago mit seinem Debüt "The College Dropout" Zwovier auf die Rap-Landkarte brachte. Ähnlich öffentlichkeitswirksam hatte es jedoch noch keiner der altgedienten Chi-Town-Recken wie Common oder Twista geschafft.

Kanye leistete dahingehend also Pionierarbeit und etablierte die Windy City als akzeptierte Rap-Talentschmiede. In der Folge tauchten mehr und mehr Künstler aus dem Dunstkreis des Trendsetters auf: Consequence, GLC, Lupe Fiasco, The Cool Kids und ein gewisser Herr mit Namen Rhymefest, für den sich die Bezeichnung Newcomer jedoch als sehr unpassend darstellt.

Dass es sich bei dem im Juli 1977 als Che Smith geborenen Rapper Rhymefest um jemand Besonderen handelt, hätte der Szene eigentlich bereits früher auffallen sollen. Spätestens als er Mitte der Neunziger etwa das damals noch unbekannte Weißbrot Eminem bei einem Freestyle-Battle auf die Bretter legt. Und auch sonst erfreut sich Chicagos Southside an Rhymefests markanter Stimme und ungewöhnlichen Flows.

Aber rosig läuft es weder beim Fortschritt der Karriere noch im Privatleben. Zumindest muss der motivierte Fest immer wieder Rückschläge einstecken. Wegen akuter Geldnot verlässt er die High School, um sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Es gelingt ihm jedoch nebenher, seinen Abschluss nachzuholen und genügend Geld anzuhäufen, um das ortsansässige Columbia College zu besuchen. Doch auch hier muss er sein Publizistik-Studium abbrechen, weil ihn junge Vaterpflichten zur Vollzeitarbeit nötigen.

Rhymefest heiratet seine schwangere Freundin und zieht nach Indianapolis, wo er seine Zeit als Hausmann und Brötchenverdiener verbringt - seine Lebensgefährtin besucht dort die namhafte Purdue University. Mit seinen Rap-Kumpels aus Chicago bleibt Rhymefest jedoch weiterhin in Kontakt. Allen voran mit Kanye West, der gerade dabei ist, sich in der Industrie durch Produktion für Jiggas Roc-A-Fella-Camp einen Namen zu machen.

Davor produziert er jedoch noch das lediglich auf Independent-Ebene veröffentlichte Mixtape "Raw Dawg" seines alten Freundes Rhymefest. Während jedoch Kanyes Beiträge für Jay-Zs "The Blueprint" zu echten Hits avancieren, kann "Raw Dawg" in der Szene nichts reißen. Kanye tritt zum Start seiner Weltkarriere an, verlässt sich aber auch weiterhin auf Rhymefest als langjährigen Freund und Kritiker.

Eines Tages erzählt Fest Kanye von dem Song "Walk With Me" des ARC Choirs und erläutert ihm eine dazu passende Song-Idee. Er spricht von einer Vision, in dem "Walk With Me" gesamplet wird und daraus etwas Großes entstehen kann. Kanye ist Feuer und Flamme und in gemeinsamer Arbeit gelingt ihnen der Song "Jesus Walks", der zum absolut besten Musikstück avanciert, das das Jahr 2004 zu bieten hat. Die Ereignisse überschlagen sich: Kanyes Debüt "The College Dropout" schlägt in der Szene ein wie eine Bombe - nicht zuletzt wegen des Erfolges der Riesensingle "Jesus Walks".

In Fachmedium und Feuilleton-Sparten fallen begeisterte Worte über den Track; der Name Rhymefest wird aber selten genannt. Dabei hält sich hartnäckig das Gerücht, dass der komplette Song, mitsamt Text von Rhymefest alleine stammt. Dem Gerede wird schließlich nach der Grammy-Verleihung 2005 ein Ende gesetzt. Kanye teilt seinen Gewinn für den besten Rap-Song des Jahres mit Rhymefest und in Folge geben beide der Öffentlichkeit zu verstehen, dass der Song eine absolute Gemeinschaftsproduktion war.

Kanye hat mittlerweile neben der steten Arbeit an seinem Weltruhm sein eigenes Label GOOD Music am Start und will dafür auch Rhymefest verpflichten. Der jedoch lehnt ab. Er hat nämlich von einem anderen musikalischen Wunderkind ein besseres Angebot bekommen. Mark Ronson, seines Zeichens aufstrebender Szene-DJ und Produzent, hat gerade sein Label Allido Records aus der Taufe gehoben und gibt mit seiner Offerte Rhymefest die Möglichkeit, seine freundschaftliche Beziehung zu Kanye nicht durch eine Geschäftsverbindung aufs Spiel zu setzen. Musikalisch gesehen ist der Schulterschluss mit dem gebürtigen Engländer Ronson für Fest mindestens genauso interessant.

Das beweist Ronsons funkiges und vor allem innovatives Solo-Debüt "Here Comes The Fuzz", auf dem auch Rhymefest einen Auftritt hat. Allmählich scheint die Karriere in Fahrt zu kommen; für Fest jedoch noch lange kein Grund sich anzupassen. Immer wieder meldet er sich in Interviews zu Wort und präsentiert sich als intelligenter und engagierter Künstler. Sein politisches und soziales Bewusstsein stellt Rhymefest schließlich auch auf seinem Debüt "Blue Collar" dar, das 2006 unter der Federführung von Mark Ronson entsteht.

Darüber hinaus hat er sich von einer Vielzahl von Gästen Unterstützung geholt und kann sich gemeinsam mit Just Blaze, Q-Tip, Kanye West, No I.D. (einer anderen Institution aus Chicago!), Citizen Cope und Mario über einen qualitativen Überraschungserfolg im laufenden Musikjahr freuen. Zusätzlich wird ihm die Ehre zuteil, als einer der letzten Künstler mit Ol' Dirty Bastard noch vor seinem überraschenden Tod zusammenzuarbeiten.

Ganz nach seiner Tradition als langjähriger Wenigverdiener widmet er das Album dem hart arbeitenden Proletariat und packt in seine Texte eine gute Portion Sozialkritik. Rhymefest ist und bleibt einer wenigen tatsächlich engagierten Vertreter der Rap-Gemeinde. Was ihn jedoch auch nicht davon abhält, das eine oder andere Mal das Partytier heraushängen zu lassen.

Trotzdem bringt er sogar Crunkgott Lil Jon dazu, einen aussagekräftigen Black Power-Song zu produzieren, der den viel versprechenden, wie auch verrückten Namen "Angry Black Man In An Elevator" trägt. Außerdem legt er sich sogar mit Vertretern des englischen Oberhauses an. Dort hat sich der konservative Oppositionssprecher des Parlaments David Cameron deutlich gegen Rap-Texte ausgesprochen und fordert ein Verbot dieser Art von Lyrics.

Rhymefest kontaktiert den Politiker mit einem Brief, in dem er zwar einige Punkte des Volksvertreters bejaht, aber andere Argumente entkräftet. Außerdem fordert er Cameron heraus: "My challenge to you, Mr Cameron, is to sit down and have a cup of tea with me. If you truly believe this is a democracy then sit down and discuss with me the issues that you see. And if you are correct, and your opinion of rap music is the same, then we should come together with the community; rappers, politicians and radio DJs, and have a wider discussion. I think this is a better way to convey a point and make change than to just be against what appears to be rap culture."

Von dessen Initiative beeindruckt, geht Cameron auf das Angebot des Rappers ein und trifft sich mit ihm zu einem Gespräch. Die Aussagekraft des gemeinsamen Nenners des Gesprächs hält sich in Grenzen: In erster Linie sprechen sich beide gegenseitigen Respekt aus, dass man überhaupt die Möglichkeit in Anspruch nimmt, miteinander zu reden. Konkrete Pläne werden nicht geschmiedet. Das mag vielleicht auch der Grund sein, wieso die Öffentlichkeit hinter dem Treffen eher einen Publicity-Stunt für beide Seiten vermutet, als einen ernst gemeinten Versuch der Klärung der Fronten.

Rhymefests Bekanntheitsgrad hat die Aktion jedenfalls nicht geschadet und seiner Motivation, die Welt zumindest ein bisschen zu verändern sowieso keinen Abbruch getan. Höchst ambitioniert beginnt er sogleich mit der Arbeit an seinem Folgealbum "El Che", auf dem es, der Name verrät es schon, ziemlich revolutionär zugeht. Um die Zeit bis zur Veröffentlichung erträglich zu gestalten, stellt Rhymefest Anfang 2008 sein Mixtape "Man In The Mirror" zum freien Download bereit. Dort stilisiert er sich zum größten King of Pop-Fan der Welt und verspricht das beste Michael Jackson-Album seit Jahrzehnten.

Alben

Surftipps

  • Fest bei MySpace

    Etliche Videos und einige Fotos.

    http://www.myspace.com/rhymefest
  • Allido Records

    Mark Ronsons Label präsentiert sich.

    http://www.allidorecords.com/

Noch keine Kommentare