10. Januar 2024

"Alltagsrassismus kennt hier jeder Jude"

Interview geführt von

Die Hamas-Anschläge in Israel gehörten zu den einschneidendsten Ereignissen des zurückliegenden Jahres. Aus einer jüdischen Perspektive blickt DJ Ilan auf die Angriffe sowie die deutschen Reaktionen.

Nura mag mit ihrem unreflektierten 'Free Palestine'-Post noch einem Impuls gefolgt sein. Kurz darauf versammelten sich kleine wie große Namen des hiesigen Rap-Betriebs, um auf Twitter und Instagram ihrem Antisemitismus freien Lauf zu lassen. Neben Basstard und der Antilopen Gang gehörte DJ Ilan zu jenen, die sich um Aufklärung und Differenzierung bemühten. Als eine der wenigen jüdischen Stimmen des Genres waren ihm die kuriosesten Vorurteile ohnehin bekannt. Wenige Wochen nach den Terror-Angriffen stand er für ein Gespräch über deren Folgen, den alltäglichen Antisemitismus, seinen Karrierebeginn an der Seite von Bushido und Fler sowie die Übersetzung seines Sounds in die Trap-Ära bereit.

Wie hast du die Hamas-Anschläge am 7. Oktober erlebt?

Ich habe zuerst verpasst, was passiert ist. Im Studio habe ich eine Kinderserie gemischt. Da eine Abgabe anstand und einige technische Fehler aufgetreten waren, habe ich bis Samstag 24 Stunden durchgeackert. Später hatte ich einen Termin mit jemandem, um Songs für eine Bar Mitzwa in Jerusalem aufzunehmen. Ich habe ihr geschrieben, ob es bei dem Termin bleibe, und sie fragte, ob ich nicht mitbekommen hätte, was passiert sei. Das falle jetzt auf jeden Fall aus. Es ist mir dann richtig um die Ohren geflogen. Ich war völlig fertig und habe als erstes meine Cousine angerufen. Als sie ans Telefon gegangen ist, sagte sie nur: 'Wir sind OK.'

Besuchst du Israel regelmäßig?

Ja, in diesem Sommer war ich mit meinen Kindern in Israel. Ich war am Strand in Tel Aviv. In Sichtweite ist ein Typ mit einem Auto in eine Menschenmenge gefahren und hat danach noch mit einem Messer ein paar Leute abgestochen. Das war ja kein Soldatentreff. Da liefen Kinder herum. Das ist extrem heftig, aber für Israelis oder Menschen, die Familie dort haben, auch komplette Normalität. Und hier wird es gar nicht erwähnt.

Wie hast du die Reaktionen auf die jüngsten Terrorattacken wahrgenommen?

Bei keinem vergleichbaren Anschlag würde irgendjemand anders reagieren als mit Empathie. Nur bei den Israelis folgt grundsätzlich ein 'aber selber schuld'. Ich lese viel online und in 90 % der Beiträge ist das so. Es ist krass, dass sofort die Keule rauskommt. Ich bin ein sehr unpolitischer Mensch. Ich habe wenig Ahnung von Dingen, von denen ich Ahnung haben müsste. Gerade weil ich mich als Jude ständig rechtfertigen muss. Menschen, die eigentlich Ahnung haben, aber das Thema sonst außen vor lassen, rennen blöd herum und schreien 'Free Palestine'. Es hat nur ein paar Tage gedauert und wird jetzt immer extremer. Das beschäftigt mich seitdem. Und daran sind Freundschaften kaputt gegangen.

Man liest die verrücktesten Dinge. Da gibt es Menschen, die teilweise als positives, teilweise als negatives Klischee behaupten, Israel sei ein total homogener Staat, obwohl es wenige so dynamische und vielseitige Städte wie Tel Aviv gibt.

Menschen, die sich hier vor allem in der muslimischen Community bewegen, haben ein verzerrtes Bild, weil sie sich nur mit den Gerüchten um die Juden befassen. Sie glauben, es gebe ein Israel, wo die Juden leben. Denen gehe es super. Sie haben alle Palästinenser hinter einer Mauer eingesperrt und denen gehe es nun scheiße, weil sie deren Strom, Wasser und Essen kontrollieren. Wenn du einmal da warst, weißt du nach fünf Sekunden: So ist es überhaupt nicht.

21 % der Israelis sind selbst Araber.

Mein Vater hat in Haifa neben einer Araberin gewohnt. Sie kennt mich, seitdem ich ein Baby bin. Wenn ich da ankomme, fällt sie mir um den Hals. Das ist Teil der Normalität, den hier gar keiner auf dem Schirm hat. Mein Vater lag mit Krebs im Sterben im Rambam-Krankenhaus von Haifa. Der Chefarzt war ein Araber, Ende 20, der in Heidelberg studiert hatte. Mit dem habe ich mich unterhalten. Er meinte, fahr nach Hause, ich sage dir, wenn es zu Ende geht. Dann könne ich kommen. Das sind ganz normale Sachen, die gar keiner auf dem Zettel hat. Deshalb kommen diese ganze Sichtweisen zustande.

Als ich im vergangenen Jahr in Israel war, sagte der Reiseleiter, dass sein persönliches Sicherheitsgefühl in Jerusalem und Tel Aviv größer sei als in Berlin oder Frankfurt am Main.

Das unterschreibe ich sofort. Hier wird die Bereitwilligkeit nicht so wahrgenommen, jemandem aus der jüdischen Community etwas anzutun. Bei Markus Lanz saß neulich die jüdische Schriftstellerin Deborah Feldmann. Ihre Peace-Love-and-Happiness-Nummer halte ich einfach für realitätsfremd. Es wäre schön, aber so funktioniert es leider nicht. Aber sie hat etwas Schlaues zum Schutz hier in Deutschland gesagt. Zwar stehen vor den Synagogen Polizisten, aber das jüdische Leben findet ja da nicht statt. Wann bin ich mal in der Synagoge? Ich gehe da auch schonmal hin, aber meistens sind es Restaurants oder die Schulen, auf denen viele jüdische Kinder sind, wo es relevant wäre. Wie man das geregelt kriegt? Keine Ahnung.

In vielen Medien war zu lesen, dass Mitglieder der jüdischen Gemeinde Angst hätten, ihre Kinder in die Schule oder in Kindergärten zu schicken. Hast du Änderungen an dir selbst wahrgenommen, wie du dich in der Öffentlichkeit bewegst?

Na klar, ich habe meine Kinder nicht in die Schule geschickt. Es gab den Aufruf von der Hamas, sich weltweit Juden zu schnappen. Die Schule meiner Kinder ist keine jüdische, aber es gibt einen großen jüdischen Anteil. Ich habe sie nicht in die Schule geschickt - nicht an dem Tag und nicht am darauffolgenden Tag. Es ist nicht so, dass jetzt alle Leute hier durchdrehen, aber es reicht ja ein Typ. Ich muss es ja nicht ausprobieren.

Hast du mit der Schule über die Sicherheit gesprochen?

Wir haben mit der Schulleitung gesprochen, ob man was mit Polizei machen kann. Aber nein, machen sie nicht. Ich habe auch mit dem Zentralrat der Juden gesprochen, ob die anrufen könnten, um ein bisschen Druck zu machen. Sie meinten, nein, können wir nicht, weil es einen Dienstweg gebe. Ich habe gemerkt, wenn ich jetzt über sieben Behörden gehe, dann dauert es acht Monate. Dann ist die Sache schon gegessen. Also habe ich das nicht weiter verfolgt und meine Kinder zu Hause gelassen.

Was auch kein Dauerzustand ist.

Nein, es waren nur ein paar Tage, aber es ist einfach überhaupt kein Zustand, dass man über sowas nachdenken muss. Die Letzten, die damit irgendwas zu tun haben, sind nämlich die Grundschüler. Ich musste meinen Kindern das nach dem 7. Oktober auch erzählen, weil wir natürlich wussten, dass sie darüber in der Schule sprechen werden. Die sind halt klein. Ich will nicht, dass sie was abkriegen und gar nicht wissen, was los ist. Die machen sich jetzt natürlich auch Sorgen um ihre Cousinen und Cousins. Das war sehr traurig.

"Viele Araber und Türken denken, dass Juden keine Steuern zahlen müssen"

Nun habt ihr auch noch die Demonstrationen in Berlin quasi vor der Haustür. Wie hast du das wahrgenommen?

Es ist auf jeden Fall ein neues Level. Da wird kein Blatt vor den Mund genommen. Und das empfinde ich als ziemlich bedrohlich. Die Leute denken, jetzt können sie es ja sagen. Es wird keiner umgebracht, aber es ist eine Gewaltbereitschaft dabei. Ich verstehe Frust, aber den haben wir auch. Und was mich am meisten nervt, aber keiner auf dem Zettel hat: Israel steht seit den Anschlägen durchgehend unter Raketenbeschuss. Es ist sowieso Normalität, dass fast jeden Tag eine Rakete nach Israel reinfliegt, aber jetzt sind es einige tausend gewesen - und das ist einfach nicht geil. Ich habe am zweiten Tag nach dem 7. Oktober mit meiner Cousine geredet. Dann musste ich dieses Gespräch beenden, weil ein Bombenalarm losgegangen ist und ihr vierjähriger Sohn eine Panikattacke bekommen hat. Wie soll ich das finden? Das vergessen irgendwie alle. Es herrscht hier in der Mehrheit eine ganz komische Wahrnehmung.

Wie bewertest du die mediale Berichterstattung in Deutschland?

Schwierig. Es klingt wirklich von hinten durch die Brust ins Auge, aber ich mache Folgendes: Ich gucke mir random Instagram-Posts an. Wenn darunter 3.000 Kommentare stehen, dann lese ich mir die durch und habe dann ein Bild von dem, was los ist. Das macht mich wahnsinnig, ehrlich gesagt, bringt es mich um den Schlaf. Aber wenn mehrere hundert Leute dasselbe schreiben, dann sagt mir das auf jeden Fall mehr als ein Artikel im Spiegel. Die mediale Berichterstattung hat sich tatsächlich ein bisschen verändert. Obwohl es alle anders sehen, habe ich es sonst sehr pro Palästinenser empfunden. Da hat es sonst geheißen, es seien drei Araber getötet worden. Dann musstest du zuerst weiterlesen, bis du wusstest warum. Jemand, der bei einem Anschlag gecatcht wird, wird unter Umständen dabei erschossen. Das ist nicht toll und richtig, aber es ist der Grund, weshalb der überhaupt in dieser Gefahr gewesen ist.

Antisemitismus war immer ein Problem - gerade ein deutsches. Dennoch muss ich gestehen, dass ich das Thema verglichen mit anderen Diskriminierungsformen unterschätzt habe. Dem entsprechend war ich überrascht, dass der Antisemitismus von links und rechts, den muslimischen und bürgerlichen Milieus kam.

Ich bin ein bisschen überrascht, dass auf Demos so deutlich der Tod einer ganzen Menschengruppe gefordert wird. Sie kritisieren, es werde gerade ein Genozid begangen - und fordern im selben Satz einen. Das finde ich ganz schön erschreckend. Aber den normalen Alltagsrassismus kenne ich mein ganzes Leben. Und den kennt hier garantiert jeder Jude. Erst recht deshalb, weil man es uns nicht an der Nasenspitze ansieht. Leute reden über Juden, wenn du dabei bist, weil sie nicht wissen, dass du einer bist. Bei mir in Schöneberg hat alles immer mit einem Lächeln stattgefunden, aber ich kenne die Vorurteile von der muslimischen Community. Da kursieren vermeintliche Wahrheiten, von denen sie fest ausgehen. Zum Beispiel denken sehr viele Araber und Türken, dass Juden keine Steuern zahlen müssen. Sogar arabische Freunde von mir denken das. Ich habe mal mit Leuten geschäftlich zu tun gehabt, die wirklich gedacht haben, sie hätten jetzt einen Vorteil, weil ich jüdisch bin. Wie haben die sich das vorgestellt? Ich hole jetzt meinen Judenausweis raus und dann ist gut, oder was?

Welche Reaktion hättest du dir nach dem 7. Oktober, von der Rap-Szene gewünscht?

Das ist echt schwierig. Ich wüsste nicht mal, von wem ich mir was wünschen sollte. Außer 'Free Palestine' habe ich nicht sonderlich viele Reaktionen mitgekriegt. Und die habe ich mir auf jeden Fall nicht gewünscht, weil sie einfach keine Antwort auf das ganze Problem sind. Es gibt ein paar Leute, zu denen ich lange keinen Kontakt hatte, die sich wider Erwarten gemeldet haben, um zu fragen, ob alles OK sei. Das gab es ganz unerwartet auch, aber es war doch eher die Ausnahme.

'Free Palestine' gehört ja fast noch zu den harmlosen Reaktionen. Ich weiß nicht, von wie vielen Rappern ich gelesen habe, die Israel das Existenzrecht komplett absprechen.

Das ist ja das Allerschlimmste. 'From the river to the sea', dieser Spruch beinhaltet viel mehr, als dass Leute frei sein sollen. Es beinhaltet, das Existenzrecht abzusprechen und die Menschen am besten auszulöschen, damit sie nicht mehr da sind. Aber wir sind de facto da - und waren es auch immer. Es wird immer so dargestellt, als seien da 1948 osteuropäischen Juden eingeritten und hätten den Laden übernommen. Aber nein, das stimmt nicht.

Hanybal postet regelmäßig den Slogan "Free Palestine fom the river to the sea". Zuletzt sprach er von einer "pervertierten Vergangenheitsbewältigung" in Deutschland. Das fällt in dieselbe Kategorie wie der linke Demo-Spruch "Free Palestine from German guilt". Die Botschaft Israels in Berlin nannte es dieser Tage eine "auf links gedrehte Variante des Geredes über den 'Schlussstrich'". Bist du gerade über linke Reaktionen erstaunt?

Nein, das Thema ist allgegenwärtig. Das ist ja auch der neue linke Chic. Wenn man ein bisschen links und intellektuell ist, dann darf man das. Am besten finde ich die Trennung: Wir haben nichts gegen Juden - nur gegen Zionisten. Definiere mir bitte mal Zionisten. Ich bin kein politischer Mensch und musste das selbst erst suchen. Was ich da gefunden habe, fand ich nicht hassenswert. Kurz und einfach zusammengefasst, es ist eine politische Strömung, die besagt, dass die Juden nach Israel gehören. Daran finde ich erstmal nichts verwerflich.

Abgesehen von "Deduschka" und "Kämpf Allein" mit Ben Salomo hat die jüdische Perspektive in deiner Musik eigentlich nie eine Rolle gespielt. Woran liegt das?

Es hat sich nicht angeboten. Bei der Musik geht es darum, wer dir über den Weg läuft und mit wem es funktioniert. Ich habe nie drauf geachtet, woher jemand kommt. Es war mir immer scheißegal. Und denen meistens auch - bis jetzt halt.

War es dir bei dem neuen Song "Kämpf Allein" dann schon wichtig, dich mit deinen Mitteln zu engagieren?

Ja, natürlich ist es mir wichtig, mich zu engagieren. Unter den ganzen Minderheiten auf der Welt sind wir eine der Kleinsten. Das scheint keiner auf dem Zettel zu haben. Was jetzt gerade überall passiert auf der Welt, ist wahnsinnig bedrohlich. Ich gehe jetzt nicht los und kämpfe für irgendwas im klassischen Sinne. Das entspricht nicht meinem Naturell. Aber was man machen kann, muss man machen.

"Genau die Freiheit, die Musik dir gibt, wird einem bei Trap komplett genommen"

Lass uns noch über deine Anfänge sprechen. Du hast mit "Carlo Cokxxx Nutten" und "Vom Bordstein Bis Zur Skyline" die beiden wegweisenden Gangsterrap-Alben hierzulande produziert. Wie blickst du auf diese Zeit zurück?

Das war Rock'n'Roll, bis alles an Bushidos Ego gescheitert ist. Es war wegen der großen Testosteron-Eimer im Raum logischerweise auch anstrengend, aber es war auf jeden Fall geil. Wir haben nur das gemacht, was uns Spaß gemacht hat. Ich weiß nicht, wie Bushido das sieht, aber mir hat es mit ihm Spaß gemacht. Wir haben eine ähnliche Einstellung gehabt. Wenn wir einen Beat angefangen haben und der nicht gleich geil war, fummelte man nicht daran herum, sondern macht einfach einen neuen und holt das Sample beim nächsten Mal erneut raus.

Bushido erzählte vor einiger Zeit in einem Interview: 'Alle Kumpels von Ilan fanden mich scheiße und fanden es auch scheiße, dass er mit mir gearbeitet hat. Er fand's irgendwie geil, weil er damit Geld verdient hat, aber konnte auch nie so richtig dazu stehen.' Hat er recht?

So ein Schwachsinn. Ich habe damit nicht viel Geld verdient - außer mit "Electro Ghetto" bei Universal und das waren auch keine Milliarden. Vorher bei Aggro Berlin war das ein Witz. Das sind Leute, die sagen, ich komme auf die Party und mach' Stress ohne Grund. Berühmte Zeile, aber das findet man nicht zwingend sympathisch. Das waren auch nicht alle meine Freunde, sondern ein Freund, der bei Aggro im Nebenhaus gewohnt hat und das scheiße fand. Bis ich zu ihm sagte, du feierst doch auch Mobb Deep, das ist nichts anderes. Das war ganz schnell die Bremse für diese Manöverkritik.

Du warst erst sehr aktiv, aber auf Flers "Neue Deutsche Welle" warst du nicht mehr vertreten.

Da hatten wir uns auch alle auseinander gespielt. Bei Aggro gab es einen Moment, als die Labelcopy von "Vom Bordstein Bis Zur Skyline" auf dem Tisch herumlag. Das ist eine Tabelle, in der die Songs stehen, wie lang sie sind, wer Feature ist und wer sie geschrieben hat. Und Bushido hat sich einfach überall eingetragen - als Komponist. Selbst bei Beats, die ich alleine gemacht habe. Das erzählt er natürlich nicht, aber das war der Bruch.

So wurde es dann in die Credits übertragen?

Nein, es gab damals diesen AggroChat, so ein Windows-98-Business, in dem er mich angeschrieben hat. Er hat sich entschuldigt, er habe nicht Bescheid gewusst. Das war dann trotzdem das Vorzeichen für den Rest dieser Reise.

Nachdem Bushido bei Universal unterschrieben hatte, habt ihr dennoch erneut zusammengearbeitet. 2005 erschien der Disstrack "Flerräter", auf dem er behauptet, Fler und Specter hätten dich antisemitisch beleidigt. Du hast das nie öffentlich kommentiert.

Nein, erstmal gab es für mich als Producer kein 'öffentlich'. Das fand ich auch den ekeligen Teil von Bushidos Buch. Der schreibt ein ganzes Kapitel über mich und ich kann dazu nichts sagen, weil es keiner hört. Ich stehe halt nicht vorne, bin auch niemand, der sich gerne in den Vordergrund stellt. Ich habe mir immer meinen Teil gedacht.

Hat es dich bei den ganzen CCN-Debatten, wer nun der neue Kollabopartner an Bushidos Seite wird, eigentlich gestört, dass du als Soundmann der ersten Stunde überhaupt keine Rolle gespielt hast?

Nein, das hat mich nicht gestört. Da geht es ja um eine inhaltliche Frage, zu der habe ich fast nichts beigetragen. Deshalb ist das schon völlig in Ordnung. Den Teil mit Saad habe ich damals noch gemischt. Das war der Anfang vom Ende mit Bushido. Das fand ich von der Stimmung gut, aber was Fler und Hengzt jetzt gemacht haben, fand ich nicht so gut. Es ist aber auch schwer, mit modernem Sound diesen Vibe zu kriegen. Aber ich war dabei. Ich habe tagelang Samples gesucht und es ist gar nicht so einfach, den Vibe zu catchen. Es ist einfach, wenn man so klingt wie früher. Aber wenn du klingen willst wie jetzt, dann ist es das nicht.

Das ist mir bei deiner Arbeit für die Fäbson-Alben aufgefallen. Es ist also schwierig, die Atmosphäre auf einem Trap-Beat zu kreieren?

Genau, das ist gar nicht so banal. Fäbson ist ein super Typ. Als ich vor gefühlt zehn Jahren noch Twitter benutzt habe, hat er mich angeschrieben. Dann haben wir uns unterhalten und einfach was aus Spaß gemacht. Das haben wir dann durchgezogen. Ich habe ein paar neue Elemente einfließen lassen, ohne mich dabei verbiegen zu müssen. Das hat er akzeptiert, deshalb hat es funktioniert. Mit Fler kannst du das zum Beispiel nicht machen. Der will dann genau das Neueste, was ich nicht fühle und mit dem ich mich auch nicht mehr auskenne. Ich habe mich inzwischen mehr reingehört wegen des Mixings, aber das war mehr zu Studienzwecken. Drill fand ich kurz spannend, aber es ist auf Dauer anstrengend.

Welche Trap-Produzenten oder -Rapper findest du heute gut?

Wen ich wirklich gut finde, ist Luciano. Ich finde bei dem ganzen Trap-Zeug aber super anstrengend, dass alle so engstirnig sind, wie das zu klingen hat. Da gibt es drei Styles und die müssen genau so klingen. Genau die Freiheit, die Musik dir gibt, wird einem komplett genommen. Das finde ich unkreativ. Specter hat es ganz anders aufgefasst. Er sieht es als komplett kreativ und frei. Ich empfinde es genau andersherum. Als ich ein Kind war, lagen soundmäßig Welten zwischen den Beastie Boys und Public Enemy, aber es war beides Hip Hop. Das fand ich daran geil.

Woran arbeitest du zur Zeit?

Ich habe mit meinem Verleger und meinem Studiopartner Max einen jungen Mann aus Stuttgart produziert, der sich YANI XO nennt. Das ist ein Newcomer, der ganz erfolgreich auf TikTok war, aber der Schwenk zu Musik ist immer schwierig, obwohl er echt super talentiert ist. Aber die Leute nehmen das nie so an, habe ich gemerkt. Leute drehen lustige Videos und wenn sie dann etwas Ernsteres machen, will davon plötzlich keiner was wissen. Jetzt gerade mache ich außerdem die Postproduktion für eine Netflix-Zeichentrickserie mit ganz viel Gesang, den ich mische.

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT DJ Ilan

Wer sich mit dem Aufstieg des Straßenraps der Hauptstadt um die Jahrtausendwende beschäftigt, dürfte spätestens nach Bushido und Fler auf ihn stoßen.

2 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 11 Monaten

    ilan zusammen mit woroc die besten produzenten, die es im drap gab/gibt. schade das nicht einer von diesen rappern auf die idee kommt, sich mal wieder beats von einem der beiden zu ziehen, fäbson mal ausgenommen. zudem props für das lesenswerte interview@laut.de

    • Vor 11 Monaten

      Meinst Du "die besten" wirklich ernst? :D Dass die zT stabile Beats haben: Ok, aber gibt da ja schon noch deutlich Krassere, oder?

    • Vor 11 Monaten

      ja, im deutschrap fällt mir nicht soviel ein was "back in the day" besser geballert hat...später kamen dann noch jambeatz und mit abstrichen m3 und noyd. aber wenn ich das mit so einer flachzange wie gorex vergleiche...hab sicher auch was vergessen, von daher dropp gerne par namen, evtl hilft mir das auf sprünge ;)

    • Vor 11 Monaten

      DJ Ron, Roe Beardie, DJ Rabauke, Mel Beatz, Biztram, Farhot, The Breed, Dexter, Torky Tork, Brenk Sinatra, Hiob, Morlockk Dilemma, Funkvater Frank, Suff Daddy, Bazzazian, Wun Two, Hulk Hodn....

    • Vor 11 Monaten

      Brenk ja, eindeutig, wobei für mich kein klassischer deutschrap Producer. Rest für meinen eigenen bescheidenen Geschmack schwächer was nicht bedeutet das ich sie schlecht finde

    • Vor 11 Monaten

      Naja, wenn wir bei Geschmack sind isses halt hart subjektiv. Für mich spielen die alle mindestens schon in der selben Liga. Evtl noch zu nennen: Reaf, Shuko, Brisk Fingaz, Silkersoft, Zenit

    • Vor 11 Monaten

      hab wirklich einige vergessen...reaf, shuko und brisk natürlich auch stark. finde ich alles besser als gorex, welcher hoffentlich nicht das neue az album verhunzen darf. der rest is geschmackssache

  • Vor 10 Monaten

    Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.