laut.de-Biographie
Hammerfall
Noch stärker als nahezu alle anderen Genres gilt Metal als klischeebehaftet. Von derlei Ballast befreien uns Hammerfall auch nicht, im Gegenteil. Zusammen mit Manowar bilden sie die Speerspitze der am meisten mit Pathos und inhaltsleeren Parolen um sich werfenden Bands.
Relativ schamlos bedienen sie sich aus dem großen Fundus von klassischen Metal-Bands der Achtziger wie Judas Priest oder Iron Maiden. Gitarrentechnisch lugen ein ums andere Mal Helloween um die Ecke. Aber wieso denn auch nicht? Von den Besten zu klauen ist nicht unbedingt verwerflich. So muss man Hammerfall zwar fehlende Eigenständigkeit attestieren, aber bei handwerklich gut gemachter Mucke drückt man auch mal ein Auge zu.
Das Phänomen Hammerfall ist aber um einiges älter als es auf den ersten Blick anmutet. Zwar erscheint erst 1997 die Debüt-Scheibe "Glory To The Brave", der Hammer fällt erstmals jedoch bereits 1993. Zu dieser Zeit heben Gitarrist Oscar Droniak und Drummer Jesper Strömblad (Ex-Ceremonial Oath) im schwedischen Göteborg das Projekt Hammerfall aus der Taufe. Projekt deshalb, weil Jesper noch bei In Flames beschäftigt ist und Oscar hauptamtlich bei Crystal Age die Klampfe schwingt. Zunächst unterstützen die Dark Tranquillity-Recken Niklas Sundin (Gitarre) und Mikael Stanne (Gesang) sowie von In Flames-Basser Johann Larsson die beiden.
Kurz nach den ersten Proben kommt es schon zu den ersten Wechseln. Die Dark Tranquillity-Mucker scheiden aus und machen für Glenn Ljungström (Ex-In Flames/Dimension Zero) und den ehemaligen Luciferion/Highlander-Sänger Joacim Cans Platz. Die Initialzündung erfolgt 1996. Hammerfall nehmen am Bandwettbewerb 'Rockslaget' teil und schaffen es bis ins Halbfinale. Zwar ziehen sie am Ende nicht in die Finalrunde ein, bannen aber klugerweise zwei Songs der Live-Performance auf Video und schicken das Tape an das holländische Label Vic Records, das die Band sofort unter Vertrag nimmt.
Sogleich machen sie sich an die Arbeit, um Songs für das Debüt "Glory To The Brave" zu schreiben. Schon während der Aufnahmen ist klar, dass das Material so gut ist, dass sich Oscar und Joacim zu hundert Prozent der neuen Band widmen möchten. So erscheint es nur wie die logische Folge, dass diejenigen, die nicht mit letzter Konsequenz mitziehen wollen, die Band verlassen müssen.
Jesper und Johan wollen In Flames nicht im Stich lassen, und so sind ihre Posten mit einem Mal vakant. Ihre Plätze nehmen bald Stefan Elmgren (Gitarre) und Magnus Rosén (Bass) ein, der von Billionaires Boys Club und Keegan kommt. Auch Jesper gehört nicht mehr offiziell zur Band: Eigentlich sitzt Patrik Räfling hinter den Drums.
Noch bevor das Debüt in den Läden steht, bekommen Nuclear Blast Wind von der Band und bieten ihnen einen Deal über vier Alben an. Das Artwork des Covers gestaltet Andreas Marschall, der schon für Running Wild, Blind Guardian und U.D.O. gestalterisch tätig war. Er verpasst "Glory To The Brave" den letzten Feinschliff. Was im Anschluss an die Veröffentlichung abgeht, überrascht ziemlich. Nicht nur, dass Hammerfall in den deutschen Charts auf Platz 38 debütieren (übrigens die bis dato höchste Platzierung eines Metal-Debüts in den deutschen Charts), sämtliche Kritiker sind voll des Lobes.
Ausgiebige Touren durch ganz Europa mit Gamma Ray und Jag Panzer folgen und tragen den Namen Hammerfall weit über die Grenzen Schwedens hinaus. Fast direkt nach ihrer Rückkehr beginnen im April 1998 die Arbeiten am zweiten Album "Legacy Of Kings".
Das erste Lebenszeichen davon, die Single "Heading The Call" wuppt auf Anhieb in die Single-Charts und platziert sich auf Rang 48 neben Ricky Martin, Scooter und Celine Dion. Insgesamt gehen über 20.000 Einheiten der Single über die Ladentheken, für eine Metal-Band ein mehr als beachtliches Ergebnis. Kein Wunder, dass auch das Album, das ab September zu haben ist, wieder abgeht wie das sprichwörtliche Zäpfchen.
Zum ersten Mal dehnen Hammerfall die Aktivitäten neben den angesagtesten Sommer-Festivals auf die ganze Welt aus, mit Gastspielen in den Staaten, Südamerika und Japan, wo klassischer Metal seit jeher gut ankommt. Kurz nach dem Ende der langen Tour machen sich aber erste Verschleißerscheinungen bemerkbar, die im Rauswurf von Patrik münden. Seinen Platz nimmt - vorerst nur provisorisch - Ex-Yngwie Malmsteen-Drummer Anders Johansson ein. Es zeigt sich aber, dass er mehr als nur ein Ersatz ist. Kurz darauf integrieren die Schweden ihn fest in die Hammerfall-Familie.
Diese Formation nimmt das dritte Album "Renegade" auf. Stilistisch weicht es kaum einen Deut vom bisherigen Konzept ab. Eingängige Melodien mit dem nötigen Gitarrenbrett im Rücken peitschen unaufhörlich nach vorne, nur von sparsam gestreuten Balladen unterbrochen. Komischerweise monieren manche Fans genau das und das Album schneidet in der Fanbewertung allgemein am schlechtesten ab. Das soll Hammerfall aber nicht sonderlich kratzen. Im Anschluss geht es erneut mit Virgin Steele und Freedom Call auf Tour.
Ohne viel Zeit zu verschwenden macht sich die Band anschließend an die Produktion des Nachfolgers, den sie mit Produzent Charlie Bauerfeind (unter anderem Blind Guardian, Helloween, Gamma Ray) aufnehmen. "Crimson Thunder" knüpft nahtlos an die bisherige Erfolgsstory an und stellt den Vorgänger in den Schatten.
Kurz vor dem Videodreh zu "Hearts On Fire" wird Joacim von einem grenzdebilen Black Metal-Fan attackiert. Die feige Ratte zieht ihm ein Bierglas über die Rübe und lässt den blutenden Gitarristen bewusstlos zurück. Kaum ist der wieder auf dem Damm, geht es mit Dio und King's X durch die Staaten.
Durch Europa touren Hammerfall mit Masterplan und Nostradameus (später mit Dream Evil) und in Japan sind sie mit Nocturnal Rites unterwegs. Auch wenn sich der Tourmanager daraufhin mit der Kohle aus dem Staub macht, lassen sich die Schweden nicht entmutigen und planen die Aufnahmen für eine Live-CD/DVD. Als sich Oscar aber mit dem Motorrad flach legt, ist zunächst wieder etwas Freizeit angesagt.
Joacim beschäftigt sich mit seinem Soloalbum und der Geburt seines Kindes, Stefan macht seinen Pilotenschein, und Magnus und Anders basteln auch an eigenen Projekten. "One Crimson Night" erscheint Im Oktober 2003 und findet reißenden Absatz, markiert es doch den Beginn einer Ruhephase in der Band.
Joacims Solo-Scheibe "Beyond The Gates" erscheint im April und zeigt den Sänger von einer anderen Seite. Gäste sind dabei unter anderem die Drummer Ronny Milianowicz Dionysus/Ex-Sinergy) und Mark Zonder (Ex-Fates Warning), sowie die beiden Gitarristen Jeff Waters (Annihilator) und Mike Chlasciak (Painmuseum/Halford).
Natürlich lassen die anderen die Zeit ebenfalls nicht ungenutzt verstreichen und basteln am fünften Studioalbum. Dieses hört auf den Titel "Chapter V: Unbent, Unbowed, Unbroken" und setzt den eingeschlagenen musikalischen Weg konsequent fort, auch wenn sich Hammerfall ein wenig am eher ungeliebten Album "Renegade" orientieren. Als Special Guest rumpelt Cronos von Venom durchs Bild. Durch Europa brettern die Schweden zusammen mit Firewind, Lordi und Thunderstone. Nach den üblichen Japan-Abstechern supporten sie in Südamerika sogar Twisted Sister.
Da sie schon in Amerika sind, geht es weiter nördlich noch mit Edguy und Into Eternity rund, bevor sie in Europa noch mal mit Stratovarius aufschlagen. Im Januar 2006 verbraten die Damen des schwedischen Curlingteams den Song "Hearts On Fire" als Olympische Hymne für ihre Mannschaft, und die Band dreht auch flugs ein Video mit den Mädels. Diese revanchieren sich und holen tatsächlich Gold. Die Verbindung zum Sport scheint es den Schweden angetan zu haben: Sie steuern in der Folge mit der jungen Sängerin Mikeyla eine Nummer zur Fußball-WM bei und engagieren sich bei der Leichtathletik-EM in Göteborg.
Doch natürlich kommen auch die Fans von Hammerfall nicht zu kurz: Mitte Oktober liegt mit Threshold" schon das nächste Album in den Regalen. Allerdings müssen sich die Herren den Vorwurf gefallen lassen, einen Schnellschuss abgeliefert zu haben. Die Anzeichen mehren sich, dass Basser Magnus in der Band nicht mehr ganz glücklich ist. Anfang März flitzt die Katze dann aus dem Sack: Er verlässt Hammerfall, um sich auf seine eigenen Projekte zu konzentrieren.
Ein Nachfolger findet sich aber relativ schnell: Fredrik Larsson ist alles andere als ein Neuer, schließlich hat der Mann das Debütalbum "Glory To The Brave" mit der Band aufgenommen. Die anstehenden Festivals 2007, wie das Rock Hard und das Bang Your Head absolvieren Hammerfall auf jeden Fall mit Frederik am Bass. Anfang Oktober des Jahres erscheint mit "Steel Meets Steel (Ten Years Of Glory)" die erste Best Of-Scheibe der Band und bietet neben zahlreichen Klassikern auch drei neue Songs und die Neuaufnahme der Bandhymne "Hammerfall". Anfang April 2008 kommt aber schon der nächste überraschende Abgang: Gitarrist Stefan Elmgren verabschiedet sich.
Stefan will auch weiterhin Musik machen, kann den Terminplan von Hammerfall aber mit seinem neuen Job als Pilot nicht unter einen Hut bringen. Mit dem ehemaligen The Poodles-Gitarristen Pontus Norgren stellen Hammerfall Ende April aber schon ihren neuen Mann vor, der nach einem Gig in Montreal auch an den Arbeiten zum neuen Album beteiligt ist. Ab Juni 2008 stehen die Coverscheibe "Masterpieces" und die DVD "Rebels With A Cause - Unruly, Unrestrained, Uninhibited" in den Regalen.
Zwischenzeitlich liegen die Schweden aber nicht auf der faulen Haut. Ende Februar 2009 bringen sie bereits das nächste Studioalbum mit dem Titel "No Sacrifice, No Victory" am Start. Darauf gibt es gewohnte Hammerfall-Kost ohne Ausbrecher nach unten oder oben zu beklatschen. Die Erfolgskurve der Band zeigt allerdings weiterhin ausschließlich nach oben: Mit dieser Scheibe legen sie die höchste Chartsplatzierung hin und treten als Headliner auf dem BYH-Festival auf.
Um der Routine zu entgehen, produzieren die beiden Gitarristen das nächste Album im Alleingang und legen Ende Mai "Infected" vor. Nicht nur den Produzenten haben sie ausgewechselt. Der Schriftzug und das Cover-Maskottchen wurden ebenfalls eingemottet, und auch musikalisch versuchen die Schweden, ein paar neue Aspekte in ihren Sound zu integrieren.
Im Anschluss verabschieden sich die Verantwortlichen erst einmal von der Bildfläche. Ein Jahr lang dauert die Bandpause, ehe Hammerfall im Winter 2013 ein neues Album für das Folgejahr ankündigen. Das mittlerweile neunte Studioalbum heißt "(r)Evolution"erscheint im August 2014.
Wieder mit am Start sind Maskottchen Hector und Produzent Fredrik Nordström, der der Band erneut einen Back-to-the-Roots-Sound verpasst. Mastermind Oscar Dronjak ist rundum glücklich: "Wir sind heißer denn je. Die Arbeit mit der Band macht allen Beteiligten unheimlich viel Freude. Ich glaube, dass wir mit dieser Energie noch jede Menge toller Sachen an den Start bringen werden."
Tatsächlich erscheinen mit "Built To Last" (2016), "Dominion" (2019) und "Hammer Of Dawn" (2022) regelmäßig neue Studioalben, die zwar das Heavy Metal-Rad nicht neu erfinden, dem altgedienten Fan aber zuverlässig liefern, was er wohl erwartet.
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